Schildhauptsparren
Der Ausdruck Schildhauptsparren (auch Haupt-Sparren[1] bzw. Hauptsparren[2] genannt; französisch chef chevron; englisch chief and chevron conjoined; italienisch capo-scaglione; lateinisch lutinatus cantherius, cantherius capitalis bzw. cantherium ex capite demittens[3] deutsch: ‚Sparren, der vom Schildhaupt herabkommt‘) bezeichnet in der Heraldik ein Heroldsbild beziehungsweise eine Fläche im Wappenschild/Feld, die durch die Kombination der gleichfarbigen Heroldsbilder Sparren und Schildhaupt konstruiert wird.
Geschichte
Wer, wann zum ersten Mal einen „Hauptsparren“ in einem Wappen führte, ist unklar; solche Fragen lassen sich gegenwärtig (Stand 2024) nicht beantworten, da die Forschung hierzu nicht abgeschlossen ist. Die Heraldiker Spener, Rudolphi, Querfurt und andere führen als Referenzwappen mit Hauptsparren das (vermehrte) Wappen derer von Windisch-Graetz an,[4][5][6] wobei sie allerdings übersehen, dass das Heroldsbild „Hauptsparren“ erst 1474 von den Wolfsthal an die Windischgrätz kam, ursprünglich möglicherweise aber dem Stammwappen des ausgestorbenen Geschlechts derer von Trauganer/Tragauner/Traganner zuzuordnen ist, welche ein ähnliches Wappen führten („Hanns von Trauganer verkaufte d. d. Wien, Samstag nach Ostern 1368 dem Pilgrim von Wolfsthal sein Wappen“, nach anderen führten die Wolfsthaler ihr Wappen mit Schildhaupt und Sparren bereits 1366)[7][8][9][10]. Auch Ralf von Retberg datiert das Vorkommen des Heroldbildes „Hauptsparren“ auf das 14. Jahrhundert:
„Darauf folgen im 14. Jahrhunderte (..) der Hauptsparren (..), das heißt (das Schildhaupt) unterstützt von (einem gleichfarbigen) Sparren (zum Beispiel Traganner).“
Es besteht die Möglichkeit, dass sich das Heroldsbild aus einer (vor-)heraldischen Schildverstärkung eines Kampfschildes entwickelte, jedoch konnte dies bislang (Stand 2024) nicht bewiesen werden.
Sprachgebrauch
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Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts war es allem Anschein nach nicht üblich, für die Kombination von Sparren und Schildhaupt im Wappen ein eigenes heraldisches Kunstwort zu verwenden. Beispielsweise benutzt Johann Siebmacher 1605/1609 nur die drei Wörter: „schwarz und weiß“, um den Sparren und das Schildhaupt im „dritten Feld unten“ im vermehrten Wappen derer von Windschischgrätz zu bestimmen.[15] Noch im Jahr 1690 gebraucht Spener keine Einwortbennennung für dieses Wappenbild, sondern den Mehrwortterminus ‚Sparren, der vom Schildhaupt herabkommt‘ (cantherium ex capite demittens)[3]. Nur acht Jahre später (1698) führt Johann Anton Kroll von Freyen (alias Rudolphi) den überspannten Ausdruck „Haubt-Sparren-Streiff“ in die Heraldik ein. In der heraldischen Terminologie konnte sich dieser Ausdruck nicht durchsetzen. Stattdessen bevorzugen viele heraldische Autoren bis heute den kurzen Terminus „Hauptsparren“ (neben anderen, nur vereinzelt vorkommenden und daher zu vernachlässigenden Bezeichnungen wie „Hauptsparrenstütze“[4], „Haupt-Sparr“ et cetera).
Der etwas längere und präzisere Kunstbegriff „Schildhauptsparren“ ist wohl erst im 19. Jahrhundert und vorzugsweise in der Wappentheorie in Gebrauch gekommen. So findet sich 1889 in der Arbeit von Maximilian Gritzner auf einen engen Wortsinn reduziert die Gleichsetzung von „Schildhauptsparren“
mit dem niederländischen Ausdruck schildhoofd ondersteund door en punt vant zelfede (was ohne Reduktion eigentlich mit ‚Schildhaupt gestützt durch einen ebensolchen Sparren‘ ins Deutsche übersetzt werden müsste).[16] In der heraldischen Praxis und in Wappenbeschreibungen findet der lange Ausdruck „Schildhauptsparren“ bis heute (Stand 2024) jedoch kaum nennenswerte Verwendung. Beispielsweise sind in der Wappenrolle Münchner Herold (WMH) zwar dutzende von Familienwappen mit einem „Hauptsparren“ blasoniert, jedoch nur vereinzelte, die einen „Schildhauptsparren“ aufweisen.
1994: (Wappen Kaifler, nach WMH-Nr.: 073/1496)
2001: (Wappen Karsten, nach WMH-Nr.: 118/7866)
2001: (Wappen Kulpe, nach WMH-Nr.: 019/8104)
2003: (Wappen Krohmer, nach WMH-Nr.: 069/8760)
2003: (Wappen Kitte, nach WMH-Nr.: 099/8969)
2003: (Wappen Krempels, nach WMH-Nr.: 109/8999)
2003: (Wappen Kerscheck, nach WMH-Nr.: 059/8671)
Darstellung
In der Frühzeit des Wappenwesens ist es irrelevant, wie genau Schildhaupt und Sparren gestalterisch miteinander angeordnet sind. Ob zum Beispiel der Sparren mit Abstand unter dem Schildhaupt ruht, ob er mit seiner Spitze bis an das Schildhaupt heranreicht, ob er in das Schildhaupt hineinragt oder ob die beiden Figuren zu einer Einheit verbunden sind, ist gleichgültig, solange das Wappenbild als Ganzes schnell und eindeutig erkennbar ist und einem Wappenführenden klar zugeordnet werden kann.
Uniforme Farbgebung
Im 19. Jahrhundert wurde eine einheitliche Tinktur für die Einzelbilder Schildhaupt und Sparren als gestalterisches Kriterium vorgeschlagen, welches erfüllt sein muss, damit ein Gesamtmotiv, welches sich aus diesen zusammensetzt, als „Hauptsparren“ betrachtet werden kann:
„Durch Zusammensetzung von Haupt und Sparren in einer Tinktur entsteht der Hauptsparren (chef-chévron)“
„Hauptsparren ist die Vereinigung des Schildhauptes mit dem Sparren zu einer Tinctur.“
„Haupt-Sparren (Tafel 10. Figur 11.): ist, analog dem Hauptpfahl et cetera, ein Sparren, dessen Giebel (..) deshalb nicht sichtbar ist, weil er mit dem Schildhaupt eine Färbung hat, und daher die entsprechenden Begrenzungslinien nicht gezogen werden.“
Heterogene Farbgebung
Erscheinen der Sparren und der Schildhaupt in verschiedenen Farben, ist dies in einer Wappenbeschreibung ausdrücklich zu melden:
„Den Ausdruck Schildhauptsparren nimmt man bevorzugt, wenn das ganze Motiv die gleiche Farbe hat. Ist das Schildhaupt abweichend tingiert, spricht man auch von einem an das Schildhaupt angeschobenen Sparren, dann entfällt der Überlappungsbereich aber.“
Reicht der andersfarbige Sparren lediglich mit seiner Spitze an das Schildhaupt heran, spricht Walter Leonhard von einem „durch Sparren unterstütztem Schildhaupt“.[2]
Form der Begrenzungslinie bei einem Hauptsparren
Das Heroldsbild „Hauptsparren“ kann mit spezifisch geformten Begrenzungslinien gestaltet sein. Beispielsweise erscheint im Familienwappen Kirhan (WMH-Nr.: 100/12771) ein „ausgebogener Schildhauptsparren“. Bei Wappenbeschreibungen ist genau anzugeben, wie der exakte Verlauf der Teilungs-/Begrenzungslinien eines besonderen Hauptsparren erfolgen soll.
Wappenbilderordnung
- Das Heroldsbild Schildhauptsparren/Hauptsparren wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Kombination von Schräg- mit senkrechten und waagrechten Teilungen (Deichsel, Göpel, Schrägkrücke, Ständerung, Spickel, Vielecke) unter der Nr. 0831 aufgenommen.
Einzelnachweise
- ↑ Martin Schmeitzel: Einleitung zur Wappenlehre. Jena, 1734. S. 160. Tafel XVIII. Figur 355. (Google)
- ↑ 2,0 2,1 Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 159 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
- ↑ 3,0 3,1 Philipp Jacob Spener: Historia Insignium Theoria Seu Operis Heraldici Pars Generalis. Frankfurt am Main, 1690. S. 180. (Google = MDZ München; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10868224-9; OCLC 162348161)
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 60.
(„Hauptsparren ist die Vereinigung des Schildhauptes mit dem Sparren zu einer Tinctur. In dem Windischgrätz'schen Wappenschilde kommt in silbernen Felde eine solche Vereinigung einer schwarzen Sparrenstütze mit einem schwarzen Schildhaupte vor und könnte man daher diese Figur – um recht sicher zu gehen – als »Hauptsparrenstütze« ansprechen.“) - ↑ 5,0 5,1 Johann Anton Kroll von Freyen (alias Rudolphi): Neu-vermehrte Heraldica Curiosa: Bestehend in Zweyen Theilen, Deren Erster ... der Wappen-Geschicht Ursprung, Wachsthum, ... in sich enthält; Samt deren umständlichen Beschreibung, ... Deren Anderer Theil ... ein special-kurtz-verfasstes Wappen-Buch, In welchem aller Europäischen Häupter, ... in Kupffer vorstellig gemacht, und aufs deutlichste beschrieben worden. Nürnberg 1698 (auch Frankfurt und Leipzig, 1718). S. 135-136 (Google; Google)
- ↑ 6,0 6,1 Christian Samuel Theodor Bernd: Die Hauptstücke der Wappenwissenschaft. 2. Abtheilung. Bonn, 1849. S. 172. Tafel 10. Figur 50. (Google)
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, I. Band, 3. Abteilung, 1. Teil; Die mediatisirten Fürstengeschlechter in Deutschland; Verfasser: O. T. von Hefner, M. Gritzner, Ad. M. Hildebrandt; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1878. S. 16. Tafel 32.
- ↑ Gregor Maximilian Gruber: Gregor Maximilian Grubers Kurzgefaßtes Lehrsystem seiner diplomatischen und heraldischen Kollegien. 2., neu umarbeitete. vermehrte (..) Auflage. Wien, 1789. S. 146 (Google)
- ↑ Joseph Alexander Freiherr von Helfert (Hrsg.): Mittheilungen der K. K. Central-Commision zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. Band 19. Wien, 1874. S. 200 (Google)
- ↑ Otto Wilhelm Freiherr von Walterskirchen zu Wolfsthal: Die Walterskirchen zu Wolfsthal: Gesammelte Nachrichten über dieses Geschlecht. Band 1. Haag, 1802. S. 107-115 (Note Nr. 1; Google)
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 12.
- ↑ Johann Wolfgang Trier: Einleitung zu der Wapen-Kunst ... Nebst einem Vorbericht von der gesammten Herolds-Wissenschaft ... Leipzig, 1729. S. 559-560 (Google)
- ↑ Johann Simon Beckenstein: Kurtze Einleitung zur Wappenkunst, und zur Art des Blasonirens: in deutlichen Exempeln gezeigt und in drey Sprachen deutsch, französisch und lateinisch erkläret. St. Petersburg. 1731. S. 71. Tafel XIII. zur 7. Abhandlung. Abbildung Nummer 41. (Google)
- ↑ Johann Christoph Gatterer: Abriß der Heraldik oder Wappenkunde zum Nutzen der studierenen Jugend entworfen und zuerst mit acht Kupfertafeln erläutert, bey dieser zweyten Auflage aber mit fünf Kupfertafeln und doppelten Registern vermehrt. Nürnberg, 1774. S. 29 und 75. Tafel 6. Figur 245. (Google)
- ↑ Johann Siebmacher: New Wapenbuch : Darinnen deß H. Röm. Reichs Teutscher Nation hoher Potentaten Fürsten, Herren, und Adelspersonen auch anderer Ständt und Stätte Wapen ... beneben ihrer Schilt und Helmkleinoten, Nürnberg, 1605-1609. S. 20. Tafel 20. (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-1263)
- ↑ Maximilian Gritzner: J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie. Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 296. (EOD Reprint, Universitäts und Landesbibliothek Tirol, ISBN 3-226-00671-1)
- ↑ Carl Mayer von Mayerfels: Heraldisches ABC-Buch. Das ist Wesen und Begriff der wissenschaftlichen Heraldik, ihre Gesetze, Literatur, Theorie und Praxis. München, 1857. S. 255 (Google)
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 59., 61. Tafel 10. Figur 11. Reprint on Demand. Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Bernhard Peter: Kombination von schrägen und geraden balkenförmigen Elementen – erstellt: 2008; abgerufen: 5. August 2024