Pferdegebiss

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Mit den Ausdrücken Pferd(e)gebiss (Pferd[e]gebiß, Pferdebiss), Trense, Pferdetrense, Trensengebiss/-gebiß, Kandare oder ähnlich (französisch frein oder mors [de cheval] [=‚Pferde-/Zaumgebiß‘]; englisch manage-bit[t], snaffle-bit[t], gag-bit, horse-bit oder ähnlich) bezeichnen Heraldiker seltene gemeine Figuren, die in unterschiedlichen Ausprägungen und Darstellungen in Wappen vorkommen.

Grundsätzliches und Geschichte

alternative Beschreibung
Pferdegebiss mit Lücke zwischen den Vorder- und den Hinterzähnen; eine Trense kann sich in diesem Spalt von einer Seite zur anderen erstrecken.
Aufbau einer einfach gebrochenen Wassertrense

Grundsätzlich ist zu unterscheiden:

  • Außerhalb der Heraldik oder umgangssprachlich haben einige der oben genannten, eher veralteten Ausdrücke (Pferdegebiss, Pferdetrense, Trensengebiss) manchmal gleich mehrere Bedeutungen, die sich im Prinzip in Form von blasonierbaren Wappenfiguren darstellen lassen. Zum Beispiel bezeichnet der Ausdruck „Pferdegebiss“ („Gebiss eines Pferdes“) die Gesamtheit der Zähne eines Pferdes, was ohne weiteres heraldisch stilisiert darstellbar wäre. Der Ausdruck „Trense“W-Logo.png (‚das leichte Zaumzeug‘) steht unter anderem für ein Gebissstück mit Ringen oder ähnlichem an jeder Seite, die zum Einschnallen von Pferdezügeln dienen, was leichterhand als heraldische Figur in einem Wappen darstellbar ist.
  • Innerhalb der Heraldik werden die oben genannten Ausdrücke von Autoren mehr oder minder unabhängig von den realen Objekten für mehrere Wappenfiguren verwendet, selbst wenn sich diese in der Darstellung gravierend voneinander unterscheiden. Historisch entstand zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert in der heraldischen Literatur ein Begriffs- und Bedeutungs­durch­ein­ander, als viele Heraldiker über frühere Wappenfiguren unkritisch spekulierten und diese teilweise apodiktisch deuteten, ohne wissenschaftlich belastbare und konsistente Quellen/Beweise/Funde für die jeweilige Deutung anzuführen. Beispielsweise verknüpft Christian Friedrich August von Meding (1735-1825) den Ausdruck „Pferdegebiss“ mit einem gänzlich anderen heraldischen Motiv als Maximilian Gritzner (1843-1902) oder als die Wappenbilderordnung des Herold im 20. Jahrhundert (Jürgen Arndt 1915-1998; Werner Seeger 1929-2017).
1690: „Frenum“ im Wappen Wierrand dict Vogt (nach Philipp Jacob Spener)

Eine Ursache dafür, dass Epigonen wegbereitender Heraldiker beispielsweise den Ausdruck „Pferdegebiss“ diversen Wappenfiguren beigaben, ist mit Sicherheit dem bedeutendsten Wappenfachmann des deutschsprachigen Kulturraums seiner Zeit, Philipp Jacob Spener (1635-1705) zu „verdanken“. Dieser beschrieb im 17. Jahrhundert die Wappenfigur im Wappen der Vögte von Wierandt (Wierand, Wierant, Wierrant, Wierrand) nicht mit einer deutschen Bezeichnung, sondern mit dem lateinischen Wort frenum, was Raum für Bedeutungsinterpretationen öffnet und nach Karl Ernst GeorgesW-Logo.png auf Deutsch soviel heißt wie ‚Gebiß‘, ‚Zaum‘ und ‚Zügel‘.[3] Die Abbildung, die Spener seinen Erläuterungen beistellte, zeigt jedoch nach heutigem Verständnis weder ein „Gebiß“, noch „Zaum(zeug)“, geschweige denn „Zügel“, sondern, wenn überhaupt, allenfalls eine Art aufrecht gestellte „Trense“ (Knebeltrense), das ist der Bestandteil des „Zaums“, der im „Pferdegebiss“ liegt und an dessen Enden gewöhnlich die „Zügel“ befestigt werden. Die Epigonen des Heraldikers Spener übersetzten das mehrdeutige frenum jedoch einfach in einer eigenen „Blumensprache“, also beispielsweise als „Pferdegebiss“, „Trensengebiss“, „Pferdetrense“ oder dergleichen, statt den einfachen Ausdruck „Trense“ zu verwenden.

Wappen Vogt von Wierandt (Wierand, Wierant, Wierrant, Wierrand)
alternative Beschreibung
um 1555: Aufrechte Trense im Wappen Wierandt (Kopie der Grabplatte des Caspar Voigt von WierandtW-Logo.png, 450 Jahrfeier, Wiederkehr der Erbauung der Piatta FormaW-Logo.png)
Zwei senkrecht gestellte „Pferde­ge­bisse“ bzw. Kandaren (nach Siebmacher von 1919)[4]

Aus der Sicht der Heraldik-Wiki-Redaktion sind im Zusammenhang mit den oben genannten Ausdrücken grundsätzlich zwei gemeine Wappenfiguren, die sich in der heraldischen Stilisierung unterscheiden, voneinander abzugrenzen:

  • eine Trensenfigur
  • eine Kandarenfigur

Schwierig ist die Abgrenzung insofern, dass manchmal ein Wappen im Laufe seiner Wappengeschichte teils mit einer Trensen-, teils mit einer Kandarenfigur aufgerissen wurde. Beispielsweise erschien auf einer Grabplatte (um 1555) des Caspar Voigt von WierandtW-Logo.png (um 1500-1560) ein Wappen mit einer einfachen, aufrechten Trensenfigur; der Siebmacher von 1919 reißt dagegen das Wappen der Vogt von Wierandt mit zwei senkrecht gestellten „Pferdegebissen“ (Kandarenfiguren) auf.

Darstellung

Da Trensen- beziehungsweise Kandarenfiguren („Pferdegebisse“) im Wappenwesen selten sind, gibt es keine expliziten heraldischen Vorgaben für sie, außer jene, die für Wappenfiguren allgemein gelten.

Pferdegebiss (Tafel XXX. Fig. 16.) selten (..)“

Siebmacher/Gritzner (1889)[5]

Die Farbgebung des Motivs, die Bewehrung, die Stellung und so weiter erfolgen nach den heraldischen Regeln. Um Verwechslungen zu vermeiden, ist es wichtig, stets zu melden, ob die Trensen-/Kandarenfigur senkrecht, waagrecht oder in einer anderen Stellung im Wappen steht; außerdem sollte angezeigt werden, ob zum Beispiel eine sogenannte „Kinnkette“ oben, unten oder anders angebracht ist.

Alle heraldische Farben sind für die Figuren gebräuchlich; heraldisches Metall (Silber oder Gold) und Schwarz sind bevorzugt. Erscheint die Tinktur eines Teils der Trensen-/Kandarenfigur anders als der Rest der Figur, sollte dies angezeigt werden (z. B.: goldene Kandare mit silberner Kinnkette).

Trense

Trense (Wappen Perlaki, nach Siebmacher, 1894)

Die gemeine Figur Trense (aus dem älteren niederländischen trensse, heute: trens und dies aus dem spanischen trenza, deutsch: „Flechte, Seil“ übernommen; zusammen mit dem Brauch des Trensenzaums im 16. Jahrhundert in Deutschland eingeführt)[6] ist dem Idealbild des gleichnamigen, gebrochenen GebissstücksW-Logo.png ohne Hebelwirkung nachempfunden (im Gegensatz zur nicht gebrochenen Kandare mit Hebelwirkung). Der gebrochene Teil beziehungsweise das Gelenk der Trensenfigur sollte stets deutlich gestaltet sein, um die Erkennbarkeit des Motivs zu erhöhen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, die genaue Form der Trense mittels ihres Eigennamens in der Wappenbeschreibung anzugeben (also zum Beispiel: Knebeltrense, D-Ringtrense, Olivenkopftrense, doppelt gebrochene Trense, Wassertrense, Stangentrense, Aufziehtrense, Löffeltrense, Crescendotrense, Rollentrense, Schlangentrense, Kettentrense, Doppeltrense).

Trense D.JPG Olivenkopftrense.png Trense Löffelgebiss.jpg Trense Crescendo.jpg Knebeltrense gebrochen.jpg Zusatzkette für Trense.jpg
Trense mit
D-Ringen
Olivenkopftrense Löffeltrense
(„Löffelgebiss“)
Crescendotrense Knebeltrense Zusatzkette
für eine Trense

Kandare

Kandare, unten mit Kinnkette („Pferde-/Zaum­gebiß“; PfastattW-Logo.png)[7]

Die gemeine Figur Kandare (von ungarisch kantár, „Zaumzeug“[8]) ist dem Idealbild des gleichnamigen, im Unterschied zum PelhamW-Logo.png und zur hebellosen Trense, nicht gebrochenen Gebissstücks mit Hebelwirkung nachempfunden. In älteren Darstellungen erscheint die Kandarenfigur oft mit einem Lippenband (englisch lip strapW-Logo en.png).

Abgrenzung

alternative Beschreibung
1553: Wappen der Anna von Blankenfeld

Das zentrale Wappenmotiv im Wappenschild der Familie Blankenfelde wird teilweise als Trense beschrieben; nach Maximilian Gritzner stellt es jedoch eine Haspel dar:

„(..) das Wappenbild der Berliner von Blankenfelde ist indess kein Pferdegebiss, sondern eine Weyfe (..)“

Siebmacher/Gritzner (1889)[5]

Wappenbilderordnung

  • Der Ausdrücke Trense, Pferdegebiss und Kandare wurden in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Landwirtschaftliches Gerät, Jagd- und Fischereigerät unter der Nr. 9555 aufgenommen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Christian Friedrich August von Meding: Nachrichten von adelichen Wapen, Band 2. Weisenfels und Leipzig. 1788. S. 139
  2. Anmerkung: Im Band II. der Wappenbilderordnung wird der Ausdruck „Pferdegebiss“ die WBO-Nummer 9555 mit einem Fragezeichen (?) zugewiesen; im Band I. findet sich die oben wiedergegebene Figur und wird dort als „Trense“ bezeichnet. Vgl.
    Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
    Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
  3. Karl Ernst Georges: Lateinisch-Deutsch / Deutsch-Lateinisch. Georges-LDHW Bd. 1, S. 2841. Elektronische Ausgabe der 8. Auflage (1913/1918): Lateinisch-Deutsch. Ausführliches Handbuch. Digitale Bibliothek Band 69. Berlin, Directmedia. 2002. S. 24038:
    • frenum, i, n., Plur., frena, orum, n., u. freni, orum, m. (frendo), das Gebiß, der Zaum, der Zügel (..)
  4. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, IV. Band, 4. Abteilung, 2. Teil: Der Niederösterreichische Landständische Adel: S-Z (J. B. Witting, H.G. Ströhl). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1919. S. 468 Tafel 224
  5. 5,0 5,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 142. Tafel XXX. Figur 16.
  6. siehe: Duden, Band 7, Das Herkunftswörterbuch, Seite 718, Artikel „Trense“ Mannheim 1963
  7. Wappenbeschreibung: „D'azur au mors de cheval d'argent, à la gourmette de même“
  8. Kandare. In: Digitales Wörterbuch der deutschen SpracheW-Logo.png.