Schäferstab (Heraldik)
Der Oberbegriff Schäferstab (auch „Schafstab“, „Hirtenstab“, „Schäferstecken“, „Schäferstock“ oder ähnlich genannt; französisch houlette; englisch shepherd's crook) steht in der Heraldik für eine gemeine Figur, die in mehreren Sonderformen mit unterschiedlichen Merkmalen in Wappen erscheint.
Funktion
Schäferstäbe sind unterschiedlich ausgeprägt und besitzen je nach Einsatzzweck und Funktion einige besondere Bestandteile. Umgangssprachlich ist der Ausdruck „Schäferstab“ neben anderen Ausführungen sowohl für schlichte, schmale und längliche Holzstöcke wie für multifunktionale Werkzeuge mit Handhabe in Form eines langen gerundeten Stiels mit (geschmiedeten) Schaufelblatt und mit Fanghaken gebräuchlich. In der heraldischen Literatur wird der Begriff überdies fälschlicherweise für das Spielrohr von Schäferpfeifen verwendet.
(gemeiner) Schäferstab | Schäferhaken | Schäferschippe | Schäferpfeife | (einfacher) Stab |
mit Schaufelblatt, und mit Fanghaken |
nur mit Fanghaken | nur mit Schaufelblatt | Spielrohr einer Schäferpfeife | ohne Fanghaken, ohne Schaufelblatt |
1872: aus: Die Gartenlaube |
1897: nach Arthur Hacker |
1410-1413: nach Très Riches Heures |
1410-1413: nach Très Riches Heures |
1504: nach Pietro Perugino |
Schäferstäbe besitzen als tragbare Geräte praktischen Nutzen. Ja nach Ausstattung (mit oder ohne Schaufel-/Schippenblatt, mit oder ohne Fanghaken, mit oder ohne Stützfläche, mit oder ohne angespitztes Ende) werden sie unterschiedlich verwendet.
- Alle Formen von Schäferstäben eignen sich als eine Art „Dirigierstab“ für Hunde und Schafe.
- Ein Schaufel-/Schippenblatt am Schäferstab dient dem Schäfer/Hirten dazu, „von der Herde abirrende Schafe etc. durch einen Erdwurf vermittelst des Stabes wieder zur Herde zurückzuschrecken“.[1] Die Schaufe/Schippe kann dem Schäfer auch zur Aufnahme von Schafkotproben (für die Analyse auf Endoparasiten) oder zur Entfernung von Hundekot von der Weide (für Verringung von Bandwurminfektionen) sowie zum Ausgraben von giftigen Pflanzen auf der Weide dienen.
- Ein Fanghaken, der asymmetrisch auf einer Seite am Schäferstab ausgezogen ist, dient dem Schäfer/Hirten in erster Linie dazu, Schafe an ihren Beinen zu fangen. „Vor allem kranke und langsame Tiere können auf diese Art von geschickten Schäfern ohne weiteres unter Kontrolle gebracht werden. Der Einsatz dieses Fanghakens will allerdings geübt sein, wenn man Distorsionsverletzungen der unteren Extremität des Schafes und der oberen Extremität des Schäfers vermeiden will.“[2]
- Schäferstabe dienen Schäfern, die viele Stunden lang in stehender Haltung eine Schafherde beaufsichtigen, oft als Stütze oder Stehhilfe. Sie entlasten und beugen Folgeschäden durch das durchgehende Stehen vor. Das obere Ende eines Schäfestabs ist dementsprechend manchmal individuell an den jeweiligen Benutzer und die bevorzugte Standhaltung breit und abgerundet oder T-förmig ausgeformt, um eine bequeme Auflage beispielsweise in der Achselhöhle zu bieten.
- Als ursprünglich von ihrer Funktionalität beherrschte Gebrauchsgegenstände können Schäferstäbe Werkzeug und Waffe in einem sein. Ist das untere Ende eines Schäferstabes zugespitzt und feuergehärtet, kann er beispielsweise im Nahkampf gegen Schafdiebe oder Raubtiere wie Wölfe dienen. Aber auch ohne Spitze kann ein Schäferstab Verteidigungsinstrument gegen fremde Hunde oder andere Eindringlinge in der Schafherde sein.
Darstellung
Schäferstab versus Schäferhaken versus Schäferschippe
Einige heraldische Quellen und Autoren verwenden bedauerlicherweise die Ausdrücke „Schäferstab“, „Schäferhaken“ und „Schäferschippe“ synonym oder unterscheiden nicht streng zwischen einem multifunktionalen Schäferstab „mit Schaufelblatt und Fanghaken“ gegenüber einfach spezialisierten Schäferstäben „mit Schaufelblatt“ (ohne Fanghaken) beziehungsweise „mit Fanghaken“ (ohne Schaufelblatt).
Um die Motiveindeutigkeit, den Wiedererkennungswert und die Wappenwahrheit nicht zu gefährden, folgt das Heraldik-Wiki der Nivellierung der Besonderheiten nicht, sondern grenzt nachstehend die Figur „Schäferstab“ von den Figuren „Schäferschippe“ und „Schäferhaken“ ab, je nachdem, welche Besonderheit im jeweiligen Wappenaufriss dargestellt wird.
(Gemeiner) Schäferstab
„Der Schäferstab (..) kommt einige Male vor (..)“
Wird in der (heraldischen) Literatur oder in Wappenbeschreibungen die Bezeichnung (gemeiner) „Schäferstab“ ohne weitere Bestimmung verwendet, ist damit gewöhnlich eine Figur gemeint, die einem gut ausgestatteten, multifunktionalen Schäferstab mit einer zumeist aus Holz gefertigten Handhabe in Form eines langen Stiels nachempfunden ist, der an dem einen Ende ein Schaufel-/Schippenblatt mit Fanghaken besitzt.
Normalerweise steht der Schäferstab im Wappen senkrecht beziehungsweise pfahlweise, wobei das Schaufelblatt zum oberen Schildrand gerichtet und der Fanghaken entweder nach heraldisch links oder nach heraldisch rechts ausgezogen ist (was der künstlerischen Freiheit überlassen bleibt). Die Ausrichtung der Schäferstabfigur ist zu melden, wenn sie vom Standard abweicht. Der Schäferstab wird beispielsweise als gestürzt blasoniert, wenn die Spitze des Schaufelblatts zum Schildfuß zeigt.
Das Schäferstabmotiv kann in jeder heraldischen Farbe erscheinen, in der Regel wird die Schäferstabfigur aber in Silber oder Gold dargestellt. Zu melden ist, ob der Stiel, an dem das Schaufelblatt mit dem Haken befestigt ist beziehungsweise das Schaufelblatt mit dem Haken in einer anderen heraldischen Farbe als der Rest des Motivs dargestellt wird.
Der Schäferstab erscheint manchmal zusammen mit einem zweiten Schäferstab oder mit einem anderen Arbeitsgerät (Hacke, Sense, Heugabel), einer Waffe (Morgenstern, Stangenwaffe) oder ähnlichen Figuren im Wappen. In diesen Fällen sind die Positionen der gemeinen Figuren zueinander zu melden (gekreuzt, schräggekreuzt, nebeneinander, übereinander, zugekehrt, überdeckt und so weiter).
Schäferstäbe, einmal mit spitzer und einmal mit flacher Vorderkante des Schaufelblatts (Rötzum)
Zwei gekreuzte und gestürzte Schäferstäbe (Wappen von Ransbach (Hohenroda))
Grüne Schäferstab (Knopp-Labach)
Schräggekreuzt ein goldener Schäferstab mit einer goldenen Lanze (Poggersdorf)[3]
Falls Bänder/Schleifen/Tücher an einer Schäferstabfigur erscheinen, ist dies anzuzeigen. Sie dienen bei den realen Vorbildern weder als Schweißtuch, noch als Schutz gegen Kälte auch nicht zum Reinigen der Hände, sondern hauptsächlich als Schmuck:
„In der Schäferpoesie sind mit Bändern geschmückte Stäbe ein ständiges Attribut der Schäfer (..)“
Blatt eines Schäferstabs
Erscheinen nur Teile eines Schäferstabs in einem Wappen, ist dies explizit unter genauer Angabe der spezifischen Form, Position und so weiter zu melden. Beispielsweise erscheinen in den Wappen von Amstetten, Zainingen und Gresauchbach kein vollständigen Schäferstabe, sondern jeweils nur ein Schaufelblatt mit dem Fanghaken beziehungsweise nur ein „wachsender“ Schäferstab, dessen Stiel nicht vollständig zu sehen ist.
Blatt eines Schäferstabs (Amstetten)
(historisches Wappen von Zainingen)
Im Feld 4: Schäferstabende (Wappen von Gresaubach)
Schäferstab in der Helmzier
In einigen Wappen wird das Schäferstabmotiv nicht nur im Wappenschild, sondern auch im Oberwappen dargestellt (beispielsweise in den Familienwappen Schäfer, Schäpers, Dongus).
Schäferhaken
Die Figur Schäferhaken (auch Schaperhaken genannt; englisch shepherd hook)[5] sollte aus semantischen Gründen explizit als einfacher Schäferstab bestehend aus einem Stiel als Handhabe und lediglich mit einem Fanghaken am Ende, aber ohne Schaufel-/Schippenblatt in Wappen aufgerissen werden. In der heraldischen Praxis wird dies oft ignoriert. Statt einem einfach spezialsierten Schäferstab (nur mit Fanghaken) wird der oben erläuterte multifunktionale gemeine Schäferstab mit Fanghaken und Schaufelblatt oder ähnlichem aufgerissen.
Schräggekreuzte (Schaf-)Haken mit Griff (Rahden)
Schäferschippe
Die Figur Schäferschippe (auch Schäferschaufel oder ähnlich genannt; französisch pelle de berger; englisch shepherd's shovel oder shepherd's scoop) sollte aus semantischen Gründen explizit als Schäferstab ohne Fanghaken, nur mit einem Schaufel-/Schippenblatt an einem Stiel in Wappen aufgerissen werden. In der heraldischen Praxis wird dies oft ignoriert. Statt einem einfach spezialsierten Schäferstab (nur Schaufelblatt) wird der oben erläuterte multifunktionale gemeine Schäferstab mit Schaufelblatt und Fanghaken aufgerissen.
Aus dem Unterrand wachsende Schäferschippe (historisches Wappen von Rickenbach)
Links oben: Blatt einer Schäfferschippe (Rosbach vor der Höhe)
Schäferpfeife
Wird in der (heraldischen) Literatur oder in Wappenbeschreibungen die Bezeichnung „Schäferpfeife“ (Schäferorgel) verwendet, ist damit eine Figur gemeint, die der gleichnamigen (Dudel-)Sackpfeife nachempfunden ist (vgl. in der Wikipedia: → Schäferpfeife). Die gemeine Figur Schäferpfeife ist teilweise schwer oder gar nicht von ähnlichen Wappenfiguren abzugrenzen. Insbesondere bei historischen Wappen ist nicht immer zweifelsfrei geklärt, ob eine dargestellte gemeine Wappenfigur tatsächlich eine „Schäferpfeife“ zeigt -- oder ein anderes Motiv. Beispielsweise kolportierten Gritzner und Hefner unisono, dass die schräggekreuzten, am oberen Ende becherförmig geformten Motive im Stammwappen derer von Magensreiter aus Teising (1680/1685 erloschen) „Schäferstäbe“[1] beziehungsweise „Schäferschippen“ sind.
„Schäferschippen (annon Reuten?); zwei geschrägt silbern mit goldenen Stielen in Schwarz: Magensreiter, Bayern (..)“
„Der Schäferstab (..) ist dies das Instrument, welches (..) in Becherform (Figur 4.) dargestellt wird (..)“
Im Neuen Siebmacher werden die Motive im Stammwappen Magensreiter dagegen von Gustav Adelbert Seyler als „Streitkolben“ gedeutet:
„In Schwarz zwei silberne Streitkolben an goldenen Stielen geschrägt. Auf dem Helm wachsend ein schwarz-gekleideter Mann mit golden gestülptem schwarzen Hut, die zwei Kolben vor sich haltend. Decken: schwarz, golden.“
Inwiefern in diesem Zusammenhang irrige Deutungen vorliegen, ist unklar. Überlieferte Wappenaufrisse wie im Wernigeroder Wappenbuch (1475–1500) legen bei genauerer Betrachtung nahe, dass die Motive im Stammwappen Magensreiter ursprünglich eher den Spielrohren einer Schäferpfeife nachempfunden wurden; die Zuschreibungen Schäferschippe, Schäferstab, Streitkolben scheinen dagegen dem Zeitgeist und den rückdatierten Projektionen des 19. Jahrhunderts geschuldet zu sein, als Heraldiker eher mit dem Sammeln, weniger mit der exakten Betrachtung von Wappenfiguren beschäftigt waren.
Stab
Ein einfacher Schäfer-/Hirtenstab oder -stock -- ohne Schaufel und ohne Haken oder andere besondere Merkmale -- sollte in einer Wappenbeschreibung als „Stab“ angezeigt werden (zum Beispiel „Schäfer mit Stab“). Eine genauere Beschreibung erübrigt sich in diesem Fall.
Abgrenzung
In Wappenbeschreibungen und in Wappenaufrissen ist der Schäferstab von ähnlichen gemeinen Figuren, deren reale Vorbilder andere Funktionen besitzen, deutlich abzugrenzen. Beispielsweise ist der Krummstab, der in der Literatur mißverständlich manchmal auch „Schäfer-/Hirtenstab“ genannt wird, ein religiöses Herrschaftssymbol, das im Gegensatz zur Schäferstabfigur stets mit einer heraldisch übertriebenen Schnecke/Krümme am oberen Ende gestaltet werden sollte. Der Pilgerstab ist ein Wanderstab, der im Gegensatz zum Schäferstab im oberen Bereich einen Handgriff besitzen beziehungsweise in eine kugelförmig geschnitzte oder gedrehte Verdickung auslaufen sollte, während er am unteren Ende zugespitzt zu gestalten ist.
Symbolik
Der Schäferstab symbolisiert allgemein den Berufsstand des Schäfers/Hirten, insbesondere den des Wanderschäfers.
„(..) Der Schäferstab ist das Attribut aller Hirten (zum Beispiel im Wappen der von Herder, von Jacobi, von Schäfer).“
In der Vergangenheit diente der Schäferstab als Gerichtsbarkeitszeichen:
„Oft ist der Hirtenstab (bzw. Schäferstab Anmerkung der Redation) einerlei mit Hirtengericht und bezeichnet das Recht einer Gemeinde, eine Hirten zu bestellen, Ausschlag Viehes zu ordnen, Vieh zu pfänden, kurz die Gerichtsbarkeit über Weide und Vieh.“
In Form von Tätowierungen, Ohrsteckern und ähnlichem findet das Motiv vielfach Verwendung.
Wappenbilderordnung
- Die Ausdrücke Schäferstab und Schäferschippe wurden in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Landwirtschaftliches Gerät, Jagd- und Fischereigerät unter der Nr. 9521 aufgenommen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 142. Tafel 30. Figur 3. und 4. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Seite „Schäferschippe“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 24. Dezember 2017, 22:10 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sch%C3%A4ferschippe&oldid=172263069 (Abgerufen: 25. Juni 2018, 10:29 UTC)
- ↑ In einer Wappenbeschreibung auf der Gemeindeseite heißt es dagegen: „Im grünen Schild unterhalb gestürzter schwarzer Spitze mit goldenem Pfeilerbildstock schräg gekreuzt eine goldene Schäferschippe mit einer goldenen Lanze, beide Schäfte gekreuzt von den Schenkeln einer gestürzten und geöffneten Zange.“ -- Gemeinde Poggersdorf. Das Wappen. Internet: gemeinde-poggersdorf.at. Abgerufen: 27. Juni 2018
- ↑ Lemma Schäferstab. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).}
- ↑ Lemma Schäferhaken. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).}
- ↑ Hefner, Otto Titan von: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. Weißenburg, Nordgau. 1861. S. 100. Tafel 21. Figur. 919. (Digitalisat)
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, VI. Band, 1. Abteilung, 1. Teil; Abgestorbener Bayrischer Adel; Verfasser: G.A. Seyler; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1884. Seite 20. Tafel 16.
- ↑ Hoffmann, A. G.: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet und herausgegeben von J. S. Ersch und J. G. Gruber. Zweite Section. H-N. Band 8. Leipzig, Brockhaus. 1831. S. 448