Sporn (Heraldik)
Der Sporn (‚Fortsatz, Spieß‘, urspr. allg. ‚ein Werkzeug zum Stoßen oder Stechen‘, verwandt zu Speer und Spur; Plur.: die Sporen; mhd. spor; auch Dorn, Stachel, Reitersporn, „Spornrad mit Bügel“ oder ähnlich genannt; lateinisch calcar; französisch éperon; englisch spur) ist in der Heraldik eine seltene Wappenfigur, die hauptsächlich in zwei Ausprägungen erscheint:
- Stachelspornfigur: angelehnt an reale Stachelsporen, wie sie bereits vor dem 13. Jahrhundert gebräuchlich waren.
- Radspornfigur: angelehnt an „Rädchensporen“ bzw. „Sporen mit (sternförmigen) Sporen[zahn]rad“, wie sie erst seit Mitte des 13. Jahrhunderts in Westeuropa gebräuchlich waren.
Darstellung
Im Wappenwesen sind weder die exakten Formen der Spornfigur geregelt oder wohldefiniert, noch bilden die einfachen Wappenfiguren konkrete oder besondere Sporen der Wirklichkeit nach. Vielmehr lehnen sich die heraldischen Sporndarstellungen an Idealbilder der Reitgegenstände an, wie sie in der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens (etwa 12. bis 15. Jahrhundert) gebräuchlich waren (Typisierung).
Die Spornfigur erscheint in zig Varianten, wobei die Wappenkünstler bei ihrer Darstellung haupsächlich folgende Gestaltungselemente heraldisch stilisiert einbeziehen:
- einen halbkreisförmig gebogenen „Fersenbügel/Fersengabel“ (in der Stilisierung vergleichbar dem griechischen Buchstaben Omega „Ω“, einem Schnittmengenzeichen „∩“, einer Hafte, einer Kesselringfigur , einem Hufeisen oder ähnlichem); vom Gipfel des Fersenbügels geht senkrecht ein Schaft ab, an dessen Ende sich ein „Spornstachel“ (mit oder ohne Widerhaken) oder ein drehbares, sternförmiges Zackenrad („Spornrad“) befindet.
- Teilweise erscheint mit der Spornfigur ein stilisierter „Riemen“ beziehungsweise das sogenannte Spornleder, mit dem in der Realität der Sporn an der Fußbekleidung befestigt wird (sofern er nicht als „Anstecksporn“ gesteckt oder als „Anschlagsporn“ bereits fest am Reitstiefel, an der Beinröhre beziehungsweise am Eisenschuh montiert ist).
1909: Sporn mit Spornleder (nach Arthur Charles Fox-Davies)
Neben den Sporen mit halbkreisförmig gebogenen Fersenbügel werden in der Literatur auch andere Spornformen als Sporn interpretiert, wobei manchmal unklar ist, welches Wappenmotiv ursprünglich im Stammwappen gemeint war.
Abgrenzung der Spornfigur von anderen Wappenfiguren
Im 19. Jahrhundert wies Ralf von Retberg auf die Schwierigkeiten bei der Bestimmung älterer Spornfiguren hin:
„Sporn (..) ein Wappenbild, welches in alter Zeichnung (vor 1500) nicht immer leicht zu bestimmen ist, was daher kommen mag, dass der Sporn zu verschiedenen Zeiten eine andere Gestalt und in Wappen noch dazu (wie auch andere, zum Beispiel besteckte Wappenbilder) diese und jene ungewöhnliche Verzierung annahm und diese in Ermangelung der Formkunde von den Wappenzeichnern, Sprechern, ja den eigenen Besitzern nicht mehr (zum Beispiel Speerken) verstanden wurden, und wie es eben auch vorkommt, sogar absichtlich, zum Beispiel in der späteren Erdichtung von Schildsagen und so weiter, welche übrigens für den ernsteren Geschichtsforscher nicht den geringsten Werth haben.“
Nur drei Jahre später versucht Maximilian Gritzner, zwei Archetypen der Spornfigur voneinander abzugrenzen, wobei er Retbergs Einwand aufnimmt und feststellt, dass Spornfiguren nur allzuleicht mit Kometen- und Streitkolbenfiguren „vertauscht“ werden können:
„Sporn (.. Tafel XXVI. Figur 23 bis 25 respektive 26.):[2] | ||
Der eigentliche altheraldische Sporn ... | das heißt lediglich ein spitzzulaufendes Stahlstück mit Rad daran, erscheint (wenn die Wappenfigur nicht etwa redend einen Streitkolben (Morgenstern) hat vorstellen sollen) im Wappen der Stadt Colmar im Elsass (hier von der Französisch-Napoleonischen Besserungssucht später in einem „Kometen", mit dem er allerdings viel Aehnlichkeit hat, umgemodelt) sowie im Wappen der Rädlkofer (Siebmacher. II. 62). | Radlkofer |
Den modernen Sporn ... | finden wir unter Anderem im Klingspornschen, drei Spornschäfte im Wappen der von Ritter (Bayern), Freiherrn von Ritterstein (Schlesien) und im Wappen der von Kryger (geadelt vom König von Sachsen als Herzog von Warschau) querliegend.“ | Spornberger |
Gritzners Unterscheidung ist in mehrfacher Hinsicht unzureichend. Einerseits vernächlässigt sie diverse besondere heraldische Spornformen (zum Beispiel einen „Stachelsporn“ wie er im Wappen Zirkendorf erscheint); andererseits läßt sie offen, was der „eigentliche altheraldische Sporn“ sein soll, denn die in Wappenaufrissen überlieferten Motive der Stadt Colmar und der Familie Rädlkofer sind nicht einheitlich gestaltet und was sie darstellen, ist bis heute umstritten beziehungsweise nicht eindeutig geklärt. Das Motiv im Wappen Rädlkofer, wie es beispielsweise 1884 im Siebmacher aufgerissen wurde,[3] erinnert nicht nur an einen Sporn; genauso gut könnte es an die sternförmigen Speichen einer Seilwinde angelehnt sein, wie sie im Codex Manesse bei Herrn Kristan von Hamle zu sehen ist (vgl. nebenstehende Abbildung). Und die Wappensagen beziehungsweise die unterschiedlichen Motive, die im Wappenaufrissen, in Siegelabbildungen und auf Münzen im Zusammenhang mit Colmar im Laufe der Jahrhunderte zu sehen sind, liefern kaum Hinweise darüber, was das Motiv in der Urform zweifelsfrei darstellt. Vergleiche dazu:
Lage und Ort einer Spornfigur
Lage und Ort einer Spornfigur sind entsprechend der heraldischen Terminologie anzuzeigen. In einer Wappenbeschreibung kann gemeldet, wohin das Spornrad beziehungsweise der Spornstachel zeigen (zum Beispiel: „Sporn, schrägrechts mit dem Spornrad nach oben gerichtet“). Bevorzugt wird die Spornfigur in Wappen in zwei Stellungen abgebildet:
- aufrecht oder aufgerichtet: mit dem Spornstachel beziehungsweise Spornrad zum oberen Schildrand und mit der Öffnung des Fersenbügels zum Schildfuß gestellt.
- gestürzt: mit dem Spornstachel beziehungsweise Spornrad zum unteren Schildrand und mit der Öffnung des Fersenbügels zum Schildhaupt gestellt.
Farbgebung
Alle heraldische Farben sind für die Spornfigur gebräuchlich; heraldisches Metall (Silber oder Gold) sind bevorzugt. Erscheinen die Tinkturen von Spornrad/Spornstachel, Fersenbügel oder Sporenleder unterschiedlich, sollte dies angezeigt werden (z. B.: goldener Sporn mit silbernem Spornrad).
Anzahl der Sporenfiguren
In Wappen wird die Figur Sporn gewöhnlich in Einzahl, Zweizahl oder Dreizahl dargestellt (gelegentlich aber auch in einer höheren Anzahl, wie zum Beispiel im Wappen von Vilares de Vilariça, in welchem sieben Sporen oder im Wappen von Santa María de los Caballeros, in dem fünf Sporen erscheinen).
(Wappen Dachau, heute)
Zwei gestürzte Stachelsporen
(Tečovice)Zweis gestürzte Radsporen, jeweils mit Sporenleder (James Lorimer of Kellyfield, Rothesay Herald)
2 querweise Sporen, an einem Sporenende mit Sporenriemen verflochten (Le Mesnil-le-Roi)[5]
(Cabeça)
(Wappen des Politikers Frederick Knight)
(Durlești, Moldawien)
Bord, belegt mit fünf Radsporen (Santa María de los Caballeros)
Geflügelter Sporn
Wenn die Spornfigur geflügelt dargestellt wird, sollte dies stets gemeldet werden.
1909: Crest Johnston (nach Arthur Charles Fox-Davies)
Sporn als Nebenfigur („gespornt“)
Die Figur Sporn erscheint manchmal als Nebenfigur beziehungsweise als Bestandteil einer anderen Wappenfigur (zum Beispiel, wenn Stiefel, Panzerbeine, Ritter, die Beine einer Triskele oder ähnliches mit einem Sporn oder mit Sporen in einem Wappen dargestellt werden). Nach Gritzner empfiehlt es sich, in diesen Fällen die Farbe der Sporen in Wappenbenbeschreibungen zu ergänzen (beispielsweise: „golden gespornt“, „mit silbernen Sporen“).[6]
Golden gesporntes Panzerbein (Wappen von Hracholusky)
1336/1989: Stiefel mit goldenem Sporn (Zunftwappen, Zunft Zürich
Symbolik
Innerhalb des Wappenwesens wird die Spornfigur genutzt, um auf den Namen eines Wappenführenden redend zu verweisen. Beispielsweise führen/führten die Familien, Orte etc. namens Sporn, Sporleder, Spornberger, Spoor, Klingspor redende Wappen mit dem Motiv.
(Goldene) Sporen waren nicht nur als Wappenfiguren gebräuchlich, sondern erscheinen als Ritterinsignien auch neben dem eigentlichen Wappen eines Ritters (zum Beispiel auf Grabsteinen). Sie waren ein Zeichen der Ritterwürde; ihre Träger bezeichnete man als Ritter vom güldenen Sporn.
„Sporen galten als ritterliches Standeszeichen und wurden dem jungen Ritter bei der feierlichen Inauguration (Schwertleite) zusammen mit anderen Insignien verliehen. Versilberte oder vergoldete Sporen waren ein Standesattribut der Knappen bzw. der Ritter. Bei unehrenhaftem Verhalten wurden sie wieder entzogen. Auf dem Schlachtfeld waren sie eine begehrte Trophäe der siegreichen Ritter. Nach der Golden-Sporen-Schlacht von Kortrijk (1302), bei der über 700 Ritter des französischen Königs Philipp des Schönen ihr Leben ließen, wurden deren goldene Sporen in der Frauenkirche von Kortrijk als Siegeszeichen aufgehängt.“
Berufswappen, Zunftzeichen
Der Sporn ist als Handwerkszeichen gebräuchlich; das Motiv erscheint (gewöhnlich in Kombination mit anderen Symbolen) beispielsweise manchmal in den Zunftwappen und Berufswappen der Hufschmiede oder der Schlosser.[8]
Paraheraldik
Auch in der neueren Paraheraldik beziehungsweise im Kontext von Werbeschildern, Militärwappen, Unternehmenszeichen, Logos, Reenactorwappen/-abzeichen oder ähnlichem ist ein heraldisch stilisierter Sporn in Anlehnung an die Ritterinsignien zuweilen gebräuchlich.
Sporn im Oberwappen (17th Cavalry Regiment)
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Sporn wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Landwirtschaftliches Gerät, Jagd- und Fischereigerät unter der Nr. 9565 aufgenommen.
Siehe auch
Weblinks
- Spornfigur im Wappen: Ritter. Internet: www.chgh.ch. Abgerufen: 23. Februar 2019
- Spornfigur im Wappen: Tresch. Internet: www.chgh.ch. Abgerufen: 23. Februar 2019
- Spornfigur im Wappen: Marbach. Internet: katalog.burgerbib.ch. Abgerufen: 23. Februar 2019
- Spornfigur im Wappen: Storm. Internet: eherold.org. Abgerufen: 23. Februar 2019
Einzelnachweise
- ↑ Retberg-Wettbergen, Ralph von: Zur Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralph von Retberg's Nachlasse. In: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. Jahrgang 1886. Seite 45
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 119. Tafel 26. Figur 23 bis 25 respektive 26. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, VI. Band, 1. Abteilung, 1. Teil; Abgestorbener Bayrischer Adel; Verfasser: G.A. Seyler; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1884. S. 118. Tafel 121
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Rot ein goldenes Sporenrädlein mit Bügel“
- ↑ Wappenbeschreibung: „d'azur à deux éperons d'or à l'antigue avec leurs sous-pied l'un sur l'autre, celui de la pointe contourné, les courroies aussi d'or entrelacées au cœur de l'écu, au chef d'argent à une salamandre de gueules accostée de deux fleurs de lys aussi d'or“
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 81. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Mittelalter-Lexikon-Bearbeiter. [Internet]. Mittelalter-Lexikon. Abgerufen: 22. Feb. 2019, 09:22 UTC. Verfügbar unter: https://www.mittelalter-lexikon.de/w/index.php?title=Sporn&oldid=43337.
- ↑ Siebmacher. Band: 19. Berufswappen. Seite: 107 Tafel 152 und Seite 111. Tafel 159