Schafzange
Kritik
Versuche heraldischer Autoren, die Frage zu beantworten, welche Wappenfigur eine sogenannte „Schafzange“ darstellt, welche nicht, verlieren sich zirka seit dem 17. Jahrhundert in der theoretischen Heraldik bei dürftiger Quellenlage in Spekulationen oder in unsicheren Aussagen mit divergierenden Standpunkten. Meist wird die Ausdruck in Zusammenhang mit den Wappen der Familien Loë/Loe/Lohe, Carnap
, Varnhagen
, Tausas(s)/Dausess, Trankwitz/Trankwitzhöffen, Schwansbell verwendet. Obwohl unklar ist, was ein „Schafzange“ sein soll, findet sich der Ausdruck hier und dort sogar in einem Wappendiplom:
„In dem Diplome (der Freiherren von Carnap) wird das Wappenbild einer Schafzange genannt (..)“
In der neueren Heraldik ist der Ausdruck nur selten gebräuchlich (zum Beispiel erscheint nach einer Wappenbeschreibung der Deutschen Wappenrolle im Wappen Nr. 6102/66 für die Familie Gleißner vorgeblich eine „Schafzange“, wobei sich die Figur im dazugehörigen Wappenaufriss an ein Mustermotiv des Heraldikers Maximilian Gritzner anlehnt, von dem nicht zweifelsfrei bewiesen ist, dass es wirklich eine „Schafzange“ darstellt)[4].
Heraldischer Schafzangenmythos
In den vorliegenden heraldischen Werken fehlen Nachweise, dass es einen von Menschen hergestellten, realen Schafzangengegenstand überhaupt gibt. Keiner der heraldischen Autoren weist nach, dass während einer archäologischen Unternehmung ein wirkliches mittelalterliches Schafzangenartefakt entdeckt oder oberflächig gefunden worden wäre, welches in irgendeiner Form einer sogenannten Schafzangenwappenfigur entsprechen würde.
Vorgeblich soll nach der heraldischen Literatur eine „Schafzange“ dazu gedient haben, Schafe während der Schur zu bändigen (ähnlich wie eine Rossbremse besonders beim Beschlagen der Hufe zur Zähmung von Pferden diente).[3] Dem potentiellen Gebrauch steht gegenüber, dass das Abschneiden des Wollhaars bei Schafen seit Jahrtausenden ohne einem Bändigungswerkzeug namens „Schafzange“ möglich und in zeitgenössischen Werken der bildenen Kunst belegt ist. Wenn „Bändigungswerkzeuge“ bei der Schur überhaupt verwendet wurden, dann waren das allenfalls einfache Seile/Stricke, mit denen man die vier Schafbeine zusammenband oder ein simples Halssband mit Seil/Strick, mit denen das Schaf an ein Gestell, an einen Pflock oder an einen ähnlichen Gegenstand kurz angebunden wurde. Tatsächlich ist eine Schur komplett ohne Bändingungsmittel die Regel, weil Hausschafe nach einer Domestizierung über Jahrtausende ruhige und geduldige Tiere sind und die Schur, zum Beispiel auf dem Rücken liegend, normalerweise gut mitmachen.
Es ist zwar denkbar, dass es eine „mittealterliche Schafzange“ gab, wie es übereinstimmend viele Heraldiker glauben. Doch ohne Nachweis eines entsprechenden historischen Artefakts beziehungsweise ohne Beweise für seine Existenz ist zu vermuten, dass die heraldischen „Schafzangenwappenfiguren“ nicht auf einen entsprechenden mittelalterlichen Schafzangengegenstand zurückzuführen sind.
Dass die Darstellungen heraldischer „Schafzangenfiguren“ nicht an die modernen Ohrmarken- oder Kastrationszangen für Schafe angelehnt sind, die man heute umgangssprachlich manchmal „Schafzange“ nennt, ist evident und braucht hier nicht weiter besprochen werden.
Darstellung und Deutung
Im Wappenwesen sind die exakten Formen einer möglichen Schafzangenfigur nicht geregelt oder wohldefiniert. Sie erscheint in zig Varianten. Bei der heraldisch stilisierten Darstellung lehnen sich Wappenkünstler gestalterisch hauptsächlich an eine Art halbkreisförmig gebogenes „Eisen“ an, welches
- dem griechischen Buchstaben Omega „Ω“ oder einem Schnittmengenzeichen „∩“ ähnelt
- oder (wenn die Öffnungen nach oben zeigen) einem kopfstehenden Omega „Ʊ“ beziehungsweise dem Buchstaben „U“).
Die mehr oder minder umgebogenen Enden der Figur sind je nach Wappenaufriss, Zeitgeist oder regionalen Vorlieben unterschiedlich oder besonders ausgeprägt (mit „Zähnen“, „Widerhaken“, „Ankerelementen“, „Schnörkeln“ oder ähnlichem; teils nach Außen, teils nach Innen, teils nach Innen und Außen ausgezogen; manchmal „pfeilspitz-“, manchmal „blatt-“, „anker-“ oder andersartig). Im 17. bis 18. Jahrhundert erscheinen die vorgeblichen Schafzangenfiguren eher mit vier „Widerhaken“, in späteren Jahrhunderten dagegen mit sechs oder mehr. Einige unterschiedlichen Erscheinungsformen jener Wappenfiguren, die man mit dem Ausdruck „Schafzange“ bezeichnet hatte, stellte Astaf von Transehe-Roseneck in den Jahren 1909/1910 in einem Beitrag über das Wappen der von Tausas aus Livland vor. Verkürzt dargestellt, differenziert er zwischen folgenden Grundformen:
„Zähne“ | 2, 4 oder 6 | Nur Innen | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
„Widerhaken“ | 2 | Nur Außen | ![]() |
„Widerhaken“ (nach unten oder oben gerichtet) |
4 oder 6 | Innen und Außen | ![]() ![]() ![]() |
„Schnörkel“ | 2 | Nur Außen | ![]() |
So hilfreich die Differenzierung der Motive von Astaf von Transehe-Roseneck im Allgemeinen ist, so kam er nicht auf die Idee, an der physischen Realität einer „Schafzange“ zu zweifeln. Offensichtlich ohne jemals selber ein Schaf geschoren zu haben, nimmt er statt dessen an, dass eine vermeintliche „Schafzange“ nur „Innen Zähne“ besitzt und dass Wappenfiguren mit nach Innen und Außen gerichteten „Widerhaken“ ein anderes „Instrument“ darstellen müssen (Wolfsangel, Kesselring, Flachsbreche, Lohgerbereisen). In dem Maße, wie er in seinem Artikel widersprüchliche Aussagen von Maximilian Gritzner und anderen Heraldikern über Schafzangenfiguren für „wertlos“ hält, sind seine Annahmen über eine realen Schafzangengegenstand zu hinterfragen.
Beispiele
Tatsächlich findet man in Wappenbeschreibungen oder in der heraldischen Literatur mehrfach Ausdrücke wie „Schafszange oder Figur X“
(oder umgekehrt „Figur X oder Schafszange“
), wobei „X“ für eine Wappenfigurbezeichnung steht wie zum Beispiel: Ross-/Pferdebremse/-prahme, Krampe, Faß-/Fasseisen, Kesselrinken („Kalte Hand“), Kesselhaken, Krummeisen, Therrkratzeisen, Böttcherwerkzeug, Lohgerb(er)eisen, Wolfseisen, Wolfsangel, Maueranker mit Widerhaken, Bügel eines Fessel-/Schnappschlosses, Stange von einem Pferdegebiss, Pfeilbogen, hufeisenförmiges Falleisen mit Widerhaken, hufeisenförmiger Haken mit Widerhaken, Flachsbreche, Hufeisen, Kuheisen, Kummet oder ähnliches.
Die nachstehende Liste führt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, exemplarisch Beispiele auf, die in der Literatur in der einen oder anderen Form mit dem Ausdruck „Schafzange“ in Zusammenhang gebracht wurden.
Wappen | Zitat | Figur | oder „X“ | |
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Loë, Loe, Lohe![]() |
1605 (nach Siebmacher):
– Alter Siebmacher (1605-09)[5] |
Angel | (keine Angaben) | |
Loë, Loe, Lohe | 1688: „D'argent à une Cornière de sable, herissée aux deux bouts.“ (Frei übersetzt): „In Silber ein schwarzer Handgriff, an beiden Enden stachelig (‚mit Stacheln besetzt‘)“[6] |
Cornière (dt.: Handgriff, eiserner Griff)[8] |
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Loë, Loe, Lohe | 1690: „Hami et unci: Peculiaris figura est in semicirculum flexa et utriusque his hamata familia Lohe [Rhen.] nigra in argentea parma.“
|
(Maueranker) |
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Loë, Loe, Lohe | 1694: „Von Loe, führt Silber mit einer schwarzen eisernen Handhabe, deren beede Ende doppelt behacket, oder bezacket.“
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Handhabe | ||
Loë, Loe, Lohe | 1703: Loë-Wappen auf dem Grabstein von Hermann Philipp von Oer![]() |
(keine Angaben) | (keine Angaben) | |
Tausas(s) | 1776–1818 |
(keine Angaben) | (keine Angaben) | |
Loë, Loe, Lohe | 1790-1791: „Von Loë führen eines schwarzes Faßeisen zu beyden Enden sechsmal gehackt, in Silber (..)“[13] 1818: „(..) und für den Heraldiker, das späterhin beibehaltene Wapenzeichen: ein Opferhaken (..) Das Wapen: ein schwarzer Kesselhaken an beiden unteren Spitzen doppelt sechsmal wiedergehaket, in Gestalt eines Hufeisens ..“
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Faßeisen Opferhaken Kesselhaken |
Hufeisen | |
Loë, Loe, Lohe | 1820 | (keine Angaben) | (keine Angaben) | |
Loë, Loe, Lohe | 1827: „Im silbernen Schild ein schwarzes Fasseisen, unten zu beiden Seiten 6mal gehacket (..) -- Fußnote a): So beschreibt (1790) diese Figur Robens in seinem Elementarwerkchen der Wappenkunde (..) Ein Auszug aus dem Domstift Eichstädtischen Aufschwörungs- und Wappen-Attest d. d. 23. Oktober 1797 nennt dieselbe ein, in Form eines Hufeisen gestaltetes, unten mit Spitzen versehenes schwarzes Band. Auch könnte man es für die Stange an einem Pferdgebiss, oder für einen Pfeilbogen (so wie auch die Haken viel Aehnlichkeit mit Fischangeln haben (..) die Benennung Fasseisen halte ich aber immer für die der Figur am angemessensten.“ |
Fasseisen |
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Carnap![]() |
1832: | (keine Angaben) | (keine Angaben) | |
Carnap | 1835: (Tafel XXII. Figur 43.) In der obern schwarzen Abtheilung ist eine silberne Schafzange abgebildet (..) (Figur 44.) .. unten durch ein Querstück verbundener (sogenannter) Schafzange (..) | Schafzange | ||
Carnap | 1855: „Im oberen schwarzen Felde eine silberne Bremse (..) Nach älteren Siegeln des 14. Jahrhunderts die Bremse allein (..) “
1855: „Wappenbuch der Preussischen Rheinprovinz, Tabelle XXII. (Abbildungen) 43. und 44., giebt Seite 24 die Bremse als Schafzange (..)“ 1857: „Das Stammwappen soll nach Ledebur im Schilde eine Bremse oder Schafzange haben (.. Das) »verbesserte« freiherrliche Wappen unterscheidet sich nicht unwesentlich von dem adelichen, das bei Bernd Tafel XXII. Figur 44., so wie hier auf der Tafel gegeben ist.“
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Bremse |
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Loë, Loe, Lohe | 1846-1865 | (keine Angaben) | (keine Angaben) | |
Varnhagen![]() auch:
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1861: „Schafzwinge; # in G.: Varnhagen v. Ense, Rhein (731); s. in #: Carnap, Preußen, oberes Feld. Drei # in S.: Schwansbell, Rhein.“ |
Schafzwinge | ||
Loë, Loe, Lohe | 1884: „Wolfsangel (..) ein in der alten Wappenkunst kaum vorkommendes und selbst ältesten Geschlechtern, wie zum Beispiel den rheinischen Loe oder Lohe erst später zugeeignetes, henkelähnliches, nach der Art der Schafscheere federndes Eisen mit zwei ausgebogenen Spitzen (..), mit oder ohne Widerhaken, welches zusammengebogen in ein Stück Fleisch gedrückt wird, und wenn der Wolf dieses verschlingt, auseinander springt und denselben wie einen Fisch an der Angel fängt (vgl. Angel). Übrigens hat der Ausdruck „Wolfsangel“ für Steighaken erst Rüxner 1530 aufgebracht und damit bewiesen, daß ihm das Verständnis für die eine wie den andern bereits vollständig abhanden gekommen war (vgl. Haken und Bremse).“ |
Wolfsangel |
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(keine Angaben) | 1889: „Schafzange (Tafel XXX. Figur 1. 2.): welche von jener (der Rossbremse -- Anmerkung der Redaktion) sich dadurch unterscheidet, dass sie stets hufeisenförmig und ohne Riemen erscheint. In alten Siegeln werden diese beiden Instrumente besser auseinanderzuhalten sein, als jetzt.“
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Schafzange | ||
(keine Angaben) | 1889: „Fasseisen (Tafel XXVIII. Fig. 99.) angesprochen; andere nennen es „Theerkranzeisen“. Eher aber möchten wir dasselbe für eine Aalangel halten (?!)“
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Fasseisen |
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Tausas(s) | 1901: „In (Silber) ein (schwarzes) Lohgerbeisen oder eine Schafzange (..)“
1909/10: „Die(se) Wappendarstellung ist offenbar dem Wappenbuch des Frl. Anna Gertruta von Vegesack (1759) Manuskript n. 205 Vol. III. Livl. Rit.-Bibl. entnommen.“
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Lohgerbeisen |
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Loë, Loe, Lohe | 1902: In Weiß das Faß- oder Wolfseisen[26]
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Faßeisen | Wolfseisen |
Abgrenzung
Ähnliche Wappenfiguren
Die vielen Assoziationen darüber, welches Vorbild den vorgeblichen „Schafzangenfiguren“ der Wappen Loë/Loe/Lohe, Carnap, Varnhagen, Tausas(s) und so weiter zugrunde liegt, hängen teilweise mit ähnlich aussehenden Wappenfiguren zusammen, die einen mehr oder weniger halbkreisförmig gebogenen Umriss besitzen (darunter zum Beispiel Kesselring, Rossbremse, Sporn Schnalle, Leier oder ein ganz anderes Wappenmotiv). Aufgrund der Ähnlichkeiten der genannten und weiterer Figuren sind Verwechslungen nicht selten:
„Dass Verwechslungen der Wappenbilder vorkommen, dass zum Beispiel aus einer Wolfsangel ein Lohgerbereisen oder ein Kesselrinken werden kann, liegt auf der Hand.“
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(aufrecht) | (gestürzt) | (gestürzt) | Schafzange (gestürzt) |
(gestürzt) |
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(gestürzt) | Pferdefußfessel (gestürzt) |
(aufrecht) | (aufrecht) | (aufrecht) |
Unähnliche Vorbilder und Stilisierungen
Andererseits verfassten heraldische Autoren des 18. bis 20. Jahrhunderts auf Basis von Vermutungen und ohne überzeugende Beweise unglaubliche Theorien über Gegenstände, die angeblich den sogenannten „Schafzangenfiguren“ als Vorbild dienten, selbst wenn erstere letzteren gar nicht ähneln. Bei kritischer Betrachtung verraten diese Theorien vielfach mehr über den Zeitgeist oder die Vorurteile der Autoren als über die Herkunft und Bedeutung der vorgeblichen Schafzangenmotive.
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Schafzange versus Rossbremse
Immer wieder wird das „Schafzangenmotiv“ mit der Rossbremsenfigur verwechselt. Dabei sollten Wappenkünstler bei der Gestaltung der Figuren eigentlich auf die Unterschiede achten:
- Die vermeintliche Schafzangenfigur erscheint eher halbkreisförmig („U-“, „Ʊ-“, „∩-“ oder „Ω-förmig“), die Rossbremse wird dagegen eher winkelförmig (mit „V“- oder „Ʌ-“förmig angeordneten Schenkeln/Armen) dargestellt.
- Die Rossbremse wird in Wappen hauptsächlich mit einem Riemen oder einer Kette dargestellt (eine Rossbremse ohne Kette/Riemen sollte explizit gemeldet werden), ein Schafzangenmotiv dagegen meist ohne diese.
- Die Schenkel/Arme der Rossbremse sind gewöhnlich mit einem (runden) Gelenk
verbunden, welches beim Schafzangenmotiv fehlt.
- Die Schenkel/Arme der Rossbremse besitzen gewöhnlich nur auf einer Seite Zähne/Widerhaken (zumeist auf der Innenseite oder auf der Außenseite, wenn die Schenkel nach Außen umgeklappt sind, was zu melden ist), beim Schafzangenmotiv sind die Zähne/Widerhaken dagegen meist beidseitig ausgeführt.
Schafzange versus Griff/Haken/Klammer/Handhabe
Solange keine zweifelsfreien Beweise vorliegen, kann man unmöglich wissen, welche der vielen Beschreibungen die vorgebliche „Schafzangenfigur“ am Besten erklärt. Auffällig ist jedoch, dass im Gegensatz zu späteren Heraldikern die des 17. Jahrhunderts (Ménestrier, Spener u. a.) die Figur nie als „Schafzange“ bezeichnen. Statt dessen verwenden sie Ober- oder Allgemeinbegriffe wie „Cornière“ (deutsch Handgriff, [eiserner] Griff), „Haken“, „Klammer“ oder „Handhabe“ („im Halbkreis gebogen und beide [Enden] mit Widerhaken versehen“).
Im Gegensatz zur nicht existierenden Schafzange sind halbkreisförmig gebogene Griffe, Haken, Klammern oder Handhaben mit Widerhaken tatsächlich bis heute im Alltag zu finden. Beispielsweise ist ein entsprechender Griff an einem Kessel montiert, der im 21. Jahrhundert als Blumentopf verwendet wird (siehe Abbildung). In der Schäferei kommen halbkreisförmige Haken zum Beispiel bei Waagen zur Anwendung, mit denen man das Gewicht der Wolle misst. Auch Türklopfer sind bis heute manchmal mehr oder weniger halbkreisförmig geformt.
Die Ober-/Allgemeinbegriffe Haken, Klammer, Handhabe und Griff umfassen einige der spezielleren Ausdrücke, die man im Laufe der Jahrhunderte dem fraglichen heraldischen Motiv beigab, zum Beispiel: Kesselrinken gleich „Griff eines Kessels“ oder Fasseisen gleich „Griff zum Anfassen“ (cave: der Ausdruck Fasseisen meint nicht, wie manche Heraldiker annahmen, einen „Fassreifen“, mit dem die Dauben eines Fasses zusammengehalten werden).
Die Bedeutungen „Griff zum Anfassen“, „Griff eines Kessels“ wiederum spielen unter Umständen auf den Namen einer wappenführenden Familie an. Beispielsweise geht der Familienname Loë/Loe/Lohe womöglich auf die Bedeutung „wallende Glut“ zurück (bis heute sprachlich in der Bedeutung „lichterloh brennen“ geläufig) und das fragliche Motiv ist eben die direkte bildhafte Umsetzung des Griffs, den man „Anfassen“ kann und mit dem man etwas (zum Beispiel einen Kessel) „aus der Lohe“ (dem Feuer, der Glut, den Flamme, dem Ofen) nehmen kann, ohne sich zu dabei zu verbrennen.
Schafzange versus Kummet
Eduard van de Loo stellt 2020 in der Zeitschrift Loo-Kroniek, vor allem aber in einem Fortsetzungsbeitrag die Hypothese auf, dass die Wappenfigur im Loe-Wappen einem Kummet nachempfunden ist:
„(..) Das Loe-Wappen ist ein Kumt.
(..) Die Loe-Siegel zeigen ein offenes Kumt. Ein offenes Kumt kann direkt um den Hals des Tieres gelegt werden. Ein geschlossenes Kumt muss über den Kopf des Tieres geschoben werden.“
Er untermauert die „Loe-Kumt-Hypothese“ anhand vieler Kummet-Beispiele in Kombination mit verschiedene Loe-Wappenaufrissen, Siegeabbildungen und Zeichnungen. Dem steht entgegen, dass Kummetfiguren nur selten und gewöhnlich nicht in der gleichen Form wie die Loo-Wappenfigur in Wappen erscheinen.
Allianz-Wappen derer von Spee
und von Loë am Schloss Heltorf
Fazit
Was die rätselhaften „Schafzangenmotive“ wirklich darstellen, bleibt Stand heute (2020) weitgehend unklar beziehungsweise ist nicht wissenschaftlich ausreichend erforscht, auch wenn Heraldiker und andere Autoren ein paar plausible Vorbilder angeführt haben.
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Schafzange wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Landwirtschaftliches Gerät, Jagd- und Fischereigerät unter der Nr. 9523 aufgenommen.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Hefner, Otto Titan von: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. Weißenburg, Nordgau. 1861. S. 95. Tafel 19. Figur 731.
- ↑ 2,0 2,1 Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 55.
- ↑ 3,0 3,1 Bernd, Christian Samuel Theodor: Die Hauptstücke der Wappenwissenschaft: Die allgemeine Wappenwissenschaft in Lehre und Anwendung: nach ihren Grundsätzen in Europas Ländern aus den Quellen dargestellt, und mit Tausenden von Beispielen wirklicher Wappen aus jenen Ländern (..). Band 2. Bonn, 1849. (f. Google). S. 292 f.
- ↑ 4,0 4,1 Vgl.: J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 142. Tafel 30. Figur 1 und 2. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Johann Siebmacher: New Wapenbuch : Darinnen deß H. Röm. Reichs Teutscher Nation hoher Potentaten Fürsten, Herren, und Adelspersonen auch anderer Ständt und Stätte Wapen ... beneben ihrer Schilt und Helmkleinoten, Nürnberg, 1605-1609. (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-2384)
- ↑ herissée = borstig, straubig; stachelig, mit Stacheln besetzt; vgl.: Nouveau Dictionnaire français-allemand et allemand-français. Band 1. Strabourg, Paris. 1810. S. 377
- ↑ Claude-François Ménestrier: La méthode du blason. Lyon 1688. S. 219. (Google)
- ↑ Cornière = Handgriff; vgl:
Theodor Schuster: Neues vollständiges Wörterbuch der deutschen und französischen Sprache. Band 1. J. J. Weber. 1868. S. 397 - ↑ Cornière = Kesselrinken; vgl:
Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2, S. 74 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890). - ↑ Wikipedia-Autoren: Cornière (homonymie). In: französischsprachige Wikipédia. Erstellt: 7 Dezember 2016, 15:12 UTC, > Permantentlink. Abgerufen: 19. April 2019
- ↑ Kühnen, Georg Wilhelm (Hrsg.): Wohlanständige Adels-Zierde / Das ist / Neue Anleitung zu der sogenannten Herold- oder Wapen-Kunst. Wie dieselbe durch den hierinn sonderlich berühmten P. Claude François Ménestrier, in franzöischer Sprache verfaßt (..) nach dem Parisischen Exemplar so Anno 1691 aufs neueste herausgeben (..) 1694. S. 183. Tafel 1. Figur 7.
- ↑ Johann Christoph Brotze
: Sammlung verschiedner Liefländischer Monumente, Prospecte und dergleichen. 10 Bände. Manuskript. 1776–1818. Band 1. S. 150
- ↑ Arnold Robens: Elementar-Werkchen der Wapenkunde. Drei Bände. Düsseldorf, Aachen. 1790-1791. Band 3: S. 213 f. Tafel 52. Digitalisat
- ↑ Arnold Robens: Der ritterbürtige landständische Adel des Großherzogthums Niederrhein: dargestellt in Wapen und Abstammungen. Weiß, Aachen. 1818. Band 2. (Digitalisat). S. 18 ff.
- ↑ Konrad Tyroff: Wappenbuch des gesammten Adels des Königreichs Baiern: aus der Adelsmatrikel gezogen. Bd. 3. Verlag des Wappenkunst und Kommissions-Bureaus , Nürnberg 1820. Folio 53r. (Digitalisat - Düsseldorf: Universitäts- und Landesbibliothek, 2015)
- ↑ Martin Carl Wilhelm von Wölckern: Beschreibungen aller Wappen der fürstlichen, gräflichen, freiherrlichen und adelichen jeztlebenden Familien im Königreich Baiern. Bände 1–4. Nürnberg, 1827. Band 3. S. 145-146
- ↑ Johann Andreas Tyroff: Wappenbuch der Preussischen Monarchie. 1828-1872. Band 2. Tafel 29. Digitalisat der BSB („Digitale Sammlungen“)
- ↑ Christian Samuel Theodor Bernd: Wappenbuch der Preussischen Rheinprovinz. Beschreibung der im Wappenbuch der Preussischen Rheinprovinz gelieferten Wappen nebst Farbtafel. Band 2: 1835. S. 24. (Digitalisat); Band 1: Tafel XXII. Figur 43. und 44. Digitalisat
- ↑ Ledebur, Leopold von: Adelslexicon der preussischen Monarchie. Rauh, ca. 1855. S. 136. Digitalisat.
- ↑ Ernst Heinrich Kneschke: Die Wappen der deutschen freiherrlichen und adeligen Familien: in genauer, vollständiger und allgemein verständlicher Beschreibung: mit geschichtlichen und urkundlichen Nachweisen. Band 1. 1855. S. 85 f.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, III. Band, 1. Abteilung; Der Adel des Königreichs Preußen: Grafen und Freiherrn; Verfasser: O. T. von Hefner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1857. S. 38 Tafel 45. und 46.
- ↑ Johann Andreas Tyroff: Wappenbuch des höheren Adels der deutschen Bundesstaaten. 1846–1865. S. 39
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. Seite 136. Tafel 28. Figur 99
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, III. Band, 11. Abteilung, 2. Teil; Der Adel der Russischen Ostseeprovinzen: Der Nichtimmatrikulierte Adel; Verfasser: M. Gritzner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1901. S. 218 f. Tafel 151.
- ↑ 25,0 25,1 Astaf von Transehe
: Die v. Tausas in Livland. Mit einer Tafel. In: Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragistik. 1909/10. S. 246–255.
- ↑ Max von Spiessen: Wappenbuch des Westfälischen Adels. Görlitz. 1901-1903. Band 1: S. 82; Band 2 Tafel 216
- ↑ Eduard van de Loo:
- Die Bedeutung des Namens Loo und des Loo-Wappens. In: Loo-Kroniek. Zeitschrift der Familie Loo. Nummer 66. 30. April 2020. ISSN 2211-1654. S. 2-17.
- Loe-Wappen Forschung II. Die Fortsetzung der Loe-Wappenforschung, die in der Loo-Kroniek Nr. 66 veröffentlicht wurde. 4. Juni 2020. (Text der Heraldik-Wiki-Redaktion vor.)