Schafzange

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Vorgebliche „Schafzange“ (?) im Wappen derer Loë, Loe, LoheW-Logo.png)
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Heraldik-Wiki-Bestimmung
Schafzange (auch Schafzwinge oder fälschlich Schafschere genannt;[1][2] französisch pinces à mouton, englisch sheep pincers) ist in der Heraldik eine veraltete, vage und nicht einheitlich verwendete Fantasiebezeichnung für eine Wappenfigur, deren Vorbild unklar ist, da ein Bändigungswerkzeug namens „Schafzange“ in der physischen Realität nicht existiert.
– Andreas Janka (2019)

Kritik

Versuche heraldischer Autoren, die Frage zu beantworten, welche Wappenfigur eine sogenannte „Schafzange“ darstellt, welche nicht, verlieren sich zirka seit dem 17. Jahrhundert in der theoretischen Heraldik bei dürftiger Quellenlage in Spekulationen oder in unsicheren Aussagen mit divergierenden Standpunkten. Meist wird die Ausdruck in Zusammenhang mit den Wappen der Familien Loë/Loe/LoheW-Logo.png, CarnapW-Logo.png, VarnhagenW-Logo.png, Tausas(s)/Dausess, Trankwitz/Trankwitzhöffen, Schwansbell verwendet. Obwohl unklar ist, was ein „Schafzange“ sein soll, findet sich der Ausdruck hier und dort sogar in einem Wappendiplom:

„In dem Diplome (der Freiherren von Carnap) wird das Wappenbild einer Schafzange genannt (..)“

In der neueren Heraldik ist der Ausdruck nur selten gebräuchlich (zum Beispiel erscheint nach einer Wappenbeschreibung der Deutschen Wappenrolle im Wappen Nr. 6102/66 für die Familie Gleißner vorgeblich eine „Schafzange“, wobei sich die Figur im dazugehörigen Wappenaufriss an ein Mustermotiv des Heraldikers Maximilian Gritzner anlehnt, von dem nicht zweifelsfrei bewiesen ist, dass es wirklich eine „Schafzange“ darstellt)[4].

Heraldischer Schafzangenmythos

14.-15. Jhr.: Schafschur im späten Mittelalter (ohne Einsatz irgendeiner „Schafzange“)

In den vorliegenden heraldischen Werken fehlen Nachweise, dass es einen von Menschen hergestellten, realen Schafzangengegenstand überhaupt gibt. Keiner der heraldischen Autoren weist nach, dass während einer archäologischen Unternehmung ein wirkliches mittelalterliches Schafzangenartefakt entdeckt oder oberflächig gefunden worden wäre, welches in irgendeiner Form einer sogenannten Schafzangenwappenfigur entsprechen würde.

Vorgeblich soll nach der heraldischen Literatur eine „Schafzange“ dazu gedient haben, Schafe während der Schur zu bändigen (ähnlich wie eine Rossbremse besonders beim Beschlagen der Hufe zur Zähmung von Pferden diente).[3] Dem potentiellen Gebrauch steht gegenüber, dass das Abschneiden des Wollhaars bei Schafen seit Jahrtausenden ohne einem Bändigungswerkzeug namens „Schafzange“ möglich und in zeitgenössischen Werken der bildenen Kunst belegt ist. Wenn „Bändigungswerkzeuge“ bei der Schur überhaupt verwendet wurden, dann waren das allenfalls einfache Seile/Stricke, mit denen man die vier Schafbeine zusammenband oder ein simples Halssband mit Seil/Strick, mit denen das Schaf an ein Gestell, an einen Pflock oder an einen ähnlichen Gegenstand kurz angebunden wurde. Tatsächlich ist eine Schur komplett ohne Bändingungsmittel die Regel, weil HausschafeW-Logo.png nach einer Domestizierung über Jahrtausende ruhige und geduldige Tiere sind und die Schur, zum Beispiel auf dem Rücken liegend, normalerweise gut mitmachen.

Es ist zwar denkbar, dass es eine „mittealterliche Schafzange“ gab, wie es übereinstimmend viele Heraldiker glauben. Doch ohne Nachweis eines entsprechenden historischen Artefakts beziehungsweise ohne Beweise für seine Existenz ist zu vermuten, dass die heraldischen „Schafzangenwappenfiguren“ nicht auf einen entsprechenden mittelalterlichen Schafzangengegenstand zurückzuführen sind.

Dass die Darstellungen heraldischer „Schafzangenfiguren“ nicht an die modernen Ohrmarken- oder Kastrationszangen für Schafe angelehnt sind, die man heute umgangssprachlich manchmal „Schafzange“ nennt, ist evident und braucht hier nicht weiter besprochen werden.

Darstellung und Deutung

Im Wappenwesen sind die exakten Formen einer möglichen Schafzangenfigur nicht geregelt oder wohldefiniert. Sie erscheint in zig Varianten. Bei der heraldisch stilisierten Darstellung lehnen sich Wappenkünstler gestalterisch hauptsächlich an eine Art halbkreisförmig gebogenes „Eisen“ an, welches

  • dem griechischen Buchstaben Omega „Ω“ oder einem Schnittmengenzeichen „“ ähnelt
  • oder (wenn die Öffnungen nach oben zeigen) einem kopfstehenden Omega „Ʊ“ beziehungsweise dem Buchstaben „U“).

Die mehr oder minder umgebogenen Enden der Figur sind je nach Wappenaufriss, Zeitgeist oder regionalen Vorlieben unterschiedlich oder besonders ausgeprägt (mit „Zähnen“, „Widerhaken“, „Ankerelementen“, „Schnörkeln“ oder ähnlichem; teils nach Außen, teils nach Innen, teils nach Innen und Außen ausgezogen; manchmal „pfeilspitz-“, manchmal „blatt-“, „anker-“ oder andersartig). Im 17. bis 18. Jahrhundert erscheinen die vorgeblichen Schafzangenfiguren eher mit vier „Widerhaken“, in späteren Jahrhunderten dagegen mit sechs oder mehr. Einige unterschiedlichen Erscheinungsformen jener Wappenfiguren, die man mit dem Ausdruck „Schafzange“ bezeichnet hatte, stellte Astaf von Transehe-RoseneckW-Logo.png in den Jahren 1909/1910 in einem Beitrag über das Wappen der von Tausas aus Livland vor. Verkürzt dargestellt, differenziert er zwischen folgenden Grundformen:

„Zähne“ 2, 4 oder 6 Nur Innen Muster-Schafzange 09.jpgMuster-Schafzange 01.jpgMuster-Schafzange 11.jpgMuster-Schafzange 10.jpgMuster-Schafzange 12.jpg
„Widerhaken“ 2 Nur Außen Muster-Schafzange 02.jpg
„Widerhaken“
(nach unten oder oben gerichtet)
4 oder 6 Innen und Außen Muster-Schafzange 03.jpgMuster-Schafzange 06.jpgMuster-Schafzange 07.jpg
„Schnörkel“ 2 Nur Außen Muster-Schafzange 08.jpg

So hilfreich die Differenzierung der Motive von Astaf von Transehe-Roseneck im Allgemeinen ist, so kam er nicht auf die Idee, an der physischen Realität einer „Schafzange“ zu zweifeln. Offensichtlich ohne jemals selber ein Schaf geschoren zu haben, nimmt er statt dessen an, dass eine vermeintliche „Schafzange“ nur „Innen Zähne“ besitzt und dass Wappenfiguren mit nach Innen und Außen gerichteten „Widerhaken“ ein anderes „Instrument“ darstellen müssen (Wolfsangel, Kesselring, Flachsbreche, Lohgerbereisen). In dem Maße, wie er in seinem Artikel widersprüchliche Aussagen von Maximilian Gritzner und anderen Heraldikern über Schafzangenfiguren für „wertlos“ hält, sind seine Annahmen über eine realen Schafzangengegenstand zu hinterfragen.

Beispiele

Tatsächlich findet man in Wappenbeschreibungen oder in der heraldischen Literatur mehrfach Ausdrücke wie „Schafszange oder Figur X“ (oder umgekehrt „Figur X oder Schafszange“), wobei „X“ für eine Wappenfigurbezeichnung steht wie zum Beispiel: Ross-/Pferdebremse/-prahme, Krampe, Faß-/Fasseisen, Kesselrinken („Kalte Hand“), Kesselhaken, Krummeisen, Therrkratzeisen, Böttcherwerkzeug, Lohgerb(er)eisen, Wolfseisen, Wolfsangel, Maueranker mit Widerhaken, Bügel eines Fessel-/Schnappschlosses, Stange von einem Pferdegebiss, Pfeilbogen, hufeisenförmiges Falleisen mit Widerhaken, hufeisenförmiger Haken mit Widerhaken, Flachsbreche, Hufeisen, Kuheisen, Kummet oder ähnliches.

Die nachstehende Liste führt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, exemplarisch Beispiele auf, die in der Literatur in der einen oder anderen Form mit dem Ausdruck „Schafzange“ in Zusammenhang gebracht wurden.

Wappen Zitat Figur oder „X“
Loë, Loe, LoheW-Logo.png 1605 (nach Siebmacher):

„von Lohe: Ein weisser Schild, der Angel darinn schwartz, Auff dē helm die federn schwartz un weiß, die Angel darauff w: (auf den weißen Federn -- Anm. der Redaktion) der bausch und die helmdeck schwartz und weiß.“

Alter Siebmacher (1605-09)[5]
Angel (keine Angaben)
alternative Beschreibung
Loë, Loe, Lohe 1688: „D'argent à une Cornière de sable, herissée aux deux bouts.“

(Frei übersetzt): „In Silber ein schwarzer Handgriff, an beiden Enden stachelig (‚mit Stacheln besetzt‘)“[6]

-- Claude-François Ménestrier[7]
Cornière
(dt.: Handgriff, eiserner Griff)[8]
  • Handhabe
  • Kesselrinken[9]
  • Metallgriff in Form eines Omegas[10]
Corniere.jpg
Loë, Loe, Lohe 1690: „Hami et unci: Peculiaris figura est in semicirculum flexa et utriusque his hamata familia Lohe [Rhen.] nigra in argentea parma.“
  • (Frei übersetzt): „Haken (Widerhaken, Angelhaken) und Klammern: Eine besondere Figur im Halbkreis gebogen und beide (Enden) mit Widerhaken versehen (im Wappen) der Familie Lohe [Rhein] schwarz im silbernen Schild.“
-- Philipp Jacob Spener
(Maueranker)
  • Haken
  • Klammer
  • Widerhaken
  • Angelhaken
Coat of arms von Lohe.jpg
Loë, Loe, Lohe 1694: „Von Loe, führt Silber mit einer schwarzen eisernen Handhabe, deren beede Ende doppelt behacket, oder bezacket.“
-- Georg Wilhelm Kühnen
(nach Ménestrier; ins Deutsche übersetzt)[11]
Handhabe
Coat of arms von Loe 01.jpg
Loë, Loe, Lohe 1703: Loë-Wappen auf dem Grabstein von Hermann Philipp von OerW-Logo.png (keine Angaben) (keine Angaben)
alternative Beschreibung
Tausas(s) 1776–1818
-- Johann Christoph BrotzeW-Logo.png[12]
(keine Angaben) (keine Angaben)
alternative Beschreibung
Loë, Loe, Lohe 1790-1791: „Von Loë führen eines schwarzes Faßeisen zu beyden Enden sechsmal gehackt, in Silber (..)“[13]
-- Arnold Robens

1818: „(..) und für den Heraldiker, das späterhin beibehaltene Wapenzeichen: ein Opferhaken (..) Das Wapen: ein schwarzer Kesselhaken an beiden unteren Spitzen doppelt sechsmal wiedergehaket, in Gestalt eines Hufeisens ..“

-- Arnold Robens[14]
Faßeisen
Opferhaken
Kesselhaken
Hufeisen
Coat of arms von Loe.jpg
Loë, Loe, Lohe 1820
-- Konrad Tyroff[15]
(keine Angaben) (keine Angaben)
Coat of arms von Loe zu Wissen.jpg
Loë, Loe, Lohe 1827: „Im silbernen Schild ein schwarzes Fasseisen, unten zu beiden Seiten 6mal gehacket (..) -- Fußnote a): So beschreibt (1790) diese Figur Robens in seinem Elementarwerkchen der Wappenkunde (..) Ein Auszug aus dem Domstift Eichstädtischen Aufschwörungs- und Wappen-Attest d. d. 23. Oktober 1797 nennt dieselbe ein, in Form eines Hufeisen gestaltetes, unten mit Spitzen versehenes schwarzes Band. Auch könnte man es für die Stange an einem Pferdgebiss, oder für einen Pfeilbogen (so wie auch die Haken viel Aehnlichkeit mit Fischangeln haben (..) die Benennung Fasseisen halte ich aber immer für die der Figur am angemessensten.“
-- Martin Carl Wilhelm von Wölckern[16]
Fasseisen
  • Hufeisenförmiges Band mit Spitzen
  • Stange an einem Pferdegebiss
  • Pfeilbogen
  • Fischangel
CarnapW-Logo.png 1832:
-- Johann Andreas Tyroff[17]
(keine Angaben) (keine Angaben)
Coat of arms Fr von Carnap.jpg
Carnap 1835: (Tafel XXII. Figur 43.) In der obern schwarzen Abtheilung ist eine silberne Schafzange abgebildet (..) (Figur 44.) .. unten durch ein Querstück verbundener (sogenannter) Schafzange (..)
-- Christian Samuel Theodor Bernd[18]
Schafzange
Coat of arms Frei H von Carnap.jpg
Coat of arms H v Carnap.jpg
Carnap 1855: „Im oberen schwarzen Felde eine silberne Bremse (..) Nach älteren Siegeln des 14. Jahrhunderts die Bremse allein (..) “
-- Leopold von Ledebur[19]

1855: „Wappenbuch der Preussischen Rheinprovinz, Tabelle XXII. (Abbildungen) 43. und 44., giebt Seite 24 die Bremse als Schafzange (..)“

-- Ernst Heinrich Kneschke[20]

1857: „Das Stammwappen soll nach Ledebur im Schilde eine Bremse oder Schafzange haben (.. Das) »verbesserte« freiherrliche Wappen unterscheidet sich nicht unwesentlich von dem adelichen, das bei Bernd Tafel XXII. Figur 44., so wie hier auf der Tafel gegeben ist.“

-- Siebmacher/Otto Titan von Hefner[21]
Bremse
  • Schafzange
Coat of arms Carnap 01.jpg
Coat of arms Carnap 02.jpg
Loë, Loe, Lohe 1846-1865
-- Johann Andreas Tyroff[22]
(keine Angaben) (keine Angaben)
alternative Beschreibung
VarnhagenW-Logo.png
auch:
1861: „Schafzwinge; # in G.: Varnhagen v. Ense, Rhein (731); s. in #: Carnap, Preußen, oberes Feld. Drei # in S.: Schwansbell, Rhein.“
-- Otto Titan von Hefner[1]
Schafzwinge
Coat of arms Varnhagen von Ense.jpg
Loë, Loe, Lohe 1884: „Wolfsangel (..) ein in der alten Wappenkunst kaum vorkommendes und selbst ältesten Geschlechtern, wie zum Beispiel den rheinischen Loe oder Lohe erst später zugeeignetes, henkelähnliches, nach der Art der Schafscheere federndes Eisen mit zwei ausgebogenen Spitzen (..), mit oder ohne Widerhaken, welches zusammengebogen in ein Stück Fleisch gedrückt wird, und wenn der Wolf dieses verschlingt, auseinander springt und denselben wie einen Fisch an der Angel fängt (vgl. Angel). Übrigens hat der Ausdruck „Wolfsangel“ für Steighaken erst Rüxner 1530 aufgebracht und damit bewiesen, daß ihm das Verständnis für die eine wie den andern bereits vollständig abhanden gekommen war (vgl. Haken und Bremse).“
-- Ralf von Retberg[2]
Wolfsangel
  • Schafscheere
  • Steighaken
Retberg Wolfsangel.jpg
(keine Angaben) 1889: „Schafzange (Tafel XXX. Figur 1. 2.): welche von jener (der Rossbremse -- Anmerkung der Redaktion) sich dadurch unterscheidet, dass sie stets hufeisenförmig und ohne Riemen erscheint. In alten Siegeln werden diese beiden Instrumente besser auseinanderzuhalten sein, als jetzt.“
-- Siebmacher/Maximilian Gritzner:[4]
Schafzange
Siebmacher Schafzange 01.jpg

Siebmacher Schafzange 02.jpg
(keine Angaben) 1889: „Fasseisen (Tafel XXVIII. Fig. 99.) angesprochen; andere nennen es „Theerkranzeisen“. Eher aber möchten wir dasselbe für eine Aalangel halten (?!)“
-- Siebmacher/Maximilian Gritzner:[23]
Fasseisen
  • Theerkranzeisen
  • Aalangel
Siebmacher Fasseisen.jpg
Tausas(s) 1901: „In (Silber) ein (schwarzes) Lohgerbeisen oder eine Schafzange (..)“
-- Siebmacher/Maximilian Gritzner[24]

1909/10: „Die(se) Wappendarstellung ist offenbar dem Wappenbuch des Frl. Anna Gertruta von Vegesack (1759) Manuskript n. 205 Vol. III. Livl. Rit.-Bibl. entnommen.“

-- Astaf von Transehe-Roseneck[25]
Lohgerbeisen
  • Schafzange
Coat of arms family Tausass.jpg
Loë, Loe, Lohe 1902: In Weiß das Faß- oder Wolfseisen[26]
-- Max von Spiessen
Faßeisen Wolfseisen
Loe-Gr-Wappen 216 4.png

Abgrenzung

Ähnliche Wappenfiguren

Die vielen Assoziationen darüber, welches Vorbild den vorgeblichen „Schafzangenfiguren“ der Wappen Loë/Loe/Lohe, Carnap, Varnhagen, Tausas(s) und so weiter zugrunde liegt, hängen teilweise mit ähnlich aussehenden Wappenfiguren zusammen, die einen mehr oder weniger halbkreisförmig gebogenen Umriss besitzen (darunter zum Beispiel Kesselring, Rossbremse, Sporn Schnalle, Leier oder ein ganz anderes Wappenmotiv). Aufgrund der Ähnlichkeiten der genannten und weiterer Figuren sind Verwechslungen nicht selten:

„Dass Verwechslungen der Wappenbilder vorkommen, dass zum Beispiel aus einer Wolfsangel ein Lohgerbereisen oder ein Kesselrinken werden kann, liegt auf der Hand.“

Astaf von Transehe-Roseneck (1909/1910)[25]
Siebmacher Maultrommel 01.jpg Siebmacher Kesselrinken.jpg Siebmacher Pferdebremse 06b.jpg Siebmacher Fasseisen 01.jpg Siebmacher Hufeisen 01.jpg
(aufrecht) (gestürzt) (gestürzt) Schafzange
(gestürzt)
(gestürzt)
Siebmacher Sporn 02b.jpg Muster Fetterlock 01.jpg Siebmacher Schnalle 01.jpg Jepua.vaakuna.svg Klingenthal coat of arms new.svg
(gestürzt) Pferdefußfessel
(gestürzt)
(aufrecht) (aufrecht) (aufrecht)

Unähnliche Vorbilder und Stilisierungen

Andererseits verfassten heraldische Autoren des 18. bis 20. Jahrhunderts auf Basis von Vermutungen und ohne überzeugende Beweise unglaubliche Theorien über Gegenstände, die angeblich den sogenannten „Schafzangenfiguren“ als Vorbild dienten, selbst wenn erstere letzteren gar nicht ähneln. Bei kritischer Betrachtung verraten diese Theorien vielfach mehr über den Zeitgeist oder die Vorurteile der Autoren als über die Herkunft und Bedeutung der vorgeblichen Schafzangenmotive.

  • Beispielsweise ist es abwegig, dass sich die vorgeblichen Schaf­zangen­motive an irgendein „Lohgerb(er)eisen“ anlehnen. Die nachweisbaren historischen Eisenwerkzeuge, die in der Lohgerberei genutzt wurden, sind ganz anders geformt, verfügen stets über deutlich erkennbare Haltegriffe und besitzen wenig bis keine Ähnlichkeit mit den auf Wappen vorkommenden halbkreis- bis omegaförmig gebogenen Motiven. Es mag wahrscheinlich klingen, dass die von den Gerbern zum Beizen gebrauchte Rinde („Gerberlohe/Lohe“W-Logo.png) etwas mit dem Motiv im Wappen der Familie „Loë, Loe, Lohe“ zu tun haben muss, doch ist dies keineswegs so. Der Begriff „Loh(e)“ ist mehrdeutig und steht für alles mögliche. Statt eine fiktive Realie der Lohgerberei zu benutzen, um den Namen eines Geschlechts im Wappen auszudrücken, bieten sich zweifelsohne treffendere Konnotation des Begriffs „Loh(e)“ für ein Namenswappen an.
Freilichtmuseum Hagen, Gerber Handwerkszeug.jpgTypische Eisen­werk­zeuge des Gerbers, die wenig Ähnlichkeit mit der vorgeblichen Schafzangenfigur haben.
  • Etliche Gegenstände wie Maultrommel, Huf-/Kuheisen, Sporn, Schnalle, Leier, Wolfsangel, Wolfseisen, Flachsbreche et cetera kommen nicht ernsthaft als Vorbilder in Betracht, weil die heraldischen Stilisierungen dieser Realien keine Ähnlichkeit oder im Detail signifikante Abweichungen von den vermeintlichen „Schafzangenformen“ haben. Beispielsweise erscheint eine Maultrommelfigur immer mit einer durchschlagenden Mittelzunge, die bei der vermeintlichen Schafzangenfigur nicht vorhanden ist; und jüngere Forschungen über die Wolfsangel- und Wolfseisenfiguren legen nahe, dass diese nicht „halbkreisförmig“ gebogen sind, sondern allenfalls „birnenförmig zusammenlaufende Widerhaken“ besitzen, wie Astaf von Transehe-Roseneck bereits 1909/1910 schreibt; eine Flachsbreche wird in der Heraldik nicht halbkreisförmig gestaltet ... et cetera.
Wolfsangel (Wolfsjagd).jpg Rekonstruktion einer historischen Wolfsangel, die wenig Ähnlichkeit mit der vorgeblichen Schafzangenfigur hat.

Schafzange versus Rossbremse

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Rossbremse

Immer wieder wird das „Schafzangenmotiv“ mit der Rossbremsenfigur verwechselt. Dabei sollten Wappenkünstler bei der Gestaltung der Figuren eigentlich auf die Unterschiede achten:

  • Die vermeintliche Schafzangenfigur erscheint eher halbkreisförmig („U-“, „Ʊ-“, „∩-“ oder „Ω-förmig“), die Rossbremse wird dagegen eher winkelförmig (mit „V“- oder „Ʌ-“förmig angeordneten Schenkeln/Armen) dargestellt.
  • Die Rossbremse wird in Wappen hauptsächlich mit einem Riemen oder einer Kette dargestellt (eine Rossbremse ohne Kette/Riemen sollte explizit gemeldet werden), ein Schafzangenmotiv dagegen meist ohne diese.
  • Die Schenkel/Arme der Rossbremse sind gewöhnlich mit einem (runden) GelenkW-Logo.png verbunden, welches beim Schafzangenmotiv fehlt.
  • Die Schenkel/Arme der Rossbremse besitzen gewöhnlich nur auf einer Seite Zähne/Widerhaken (zumeist auf der Innenseite oder auf der Außenseite, wenn die Schenkel nach Außen umgeklappt sind, was zu melden ist), beim Schafzangenmotiv sind die Zähne/Widerhaken dagegen meist beidseitig ausgeführt.

Schafzange versus Griff/Haken/Klammer/Handhabe

 
 
2019: Griff, im Halbkreis gebogen, mit Widerhaken
(Hier: einen Kessel haltend, der als Blumentopf verwendet wird.)
alternative Beschreibung
Haken bei einer Waage, mit das Gewicht von Schafwolle misst.
Türklopfer

Solange keine zweifelsfreien Beweise vorliegen, kann man unmöglich wissen, welche der vielen Beschreibungen die vorgebliche „Schafzangenfigur“ am Besten erklärt. Auffällig ist jedoch, dass im Gegensatz zu späteren Heraldikern die des 17. Jahrhunderts (Ménestrier, Spener u. a.) die Figur nie als „Schafzange“ bezeichnen. Statt dessen verwenden sie Ober- oder Allgemeinbegriffe wie „Cornière“ (deutsch Handgriff, [eiserner] Griff), „Haken“, „Klammer“ oder „Handhabe“ („im Halbkreis gebogen und beide [Enden] mit Widerhaken versehen“).

Im Gegensatz zur nicht existierenden Schafzange sind halbkreisförmig gebogene Griffe, Haken, Klammern oder Handhaben mit Widerhaken tatsächlich bis heute im Alltag zu finden. Beispielsweise ist ein entsprechender Griff an einem Kessel montiert, der im 21. Jahrhundert als Blumentopf verwendet wird (siehe Abbildung). In der Schäferei kommen halbkreisförmige Haken zum Beispiel bei Waagen zur Anwendung, mit denen man das Gewicht der Wolle misst. Auch TürklopferW-Logo.png sind bis heute manchmal mehr oder weniger halbkreisförmig geformt.

Die Ober-/Allgemeinbegriffe Haken, Klammer, Handhabe und Griff umfassen einige der spezielleren Ausdrücke, die man im Laufe der Jahrhunderte dem fraglichen heraldischen Motiv beigab, zum Beispiel: Kesselrinken gleich „Griff eines Kessels“ oder Fasseisen gleich „Griff zum Anfassen“ (cave: der Ausdruck Fasseisen meint nicht, wie manche Heraldiker annahmen, einen „Fassreifen“, mit dem die Dauben eines FassesW-Logo.png zusammengehalten werden).

Die Bedeutungen „Griff zum Anfassen“, „Griff eines Kessels“ wiederum spielen unter Umständen auf den Namen einer wappenführenden Familie an. Beispielsweise geht der Familienname Loë/Loe/Lohe womöglich auf die Bedeutung „wallende Glut“ zurück (bis heute sprachlich in der Bedeutung „lichterloh brennen“ geläufig) und das fragliche Motiv ist eben die direkte bildhafte Umsetzung des Griffs, den man „Anfassen“ kann und mit dem man etwas (zum Beispiel einen Kessel) „aus der Lohe“ (dem Feuer, der Glut, den Flamme, dem Ofen) nehmen kann, ohne sich zu dabei zu verbrennen.

Schafzange versus Kummet

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Kummet
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Ochsenjoch

Eduard van de Loo stellt 2020 in der Zeitschrift Loo-Kroniek, vor allem aber in einem Fortsetzungsbeitrag die Hypothese auf, dass die Wappenfigur im Loe-Wappen einem Kummet nachempfunden ist:

„(..) Das Loe-Wappen ist ein Kumt.
(..) Die Loe-Siegel zeigen ein offenes Kumt. Ein offenes Kumt kann direkt um den Hals des Tieres gelegt werden. Ein geschlossenes Kumt muss über den Kopf des Tieres geschoben werden.“

Eduard van de Loo (2020)[27]

Er untermauert die „Loe-Kumt-Hypothese“ anhand vieler Kummet-Beispiele in Kombination mit verschiedene Loe-Wappenaufrissen, Siegeabbildungen und Zeichnungen. Dem steht entgegen, dass Kummetfiguren nur selten und gewöhnlich nicht in der gleichen Form wie die Loo-Wappenfigur in Wappen erscheinen.

Fazit

Was die rätselhaften „Schafzangenmotive“ wirklich darstellen, bleibt Stand heute (2020) weitgehend unklar beziehungsweise ist nicht wissenschaftlich ausreichend erforscht, auch wenn Heraldiker und andere Autoren ein paar plausible Vorbilder angeführt haben.

Wappenbilderordnung

  • Die gemeine Figur Schafzange wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Landwirtschaftliches Gerät, Jagd- und Fischereigerät unter der Nr. 9523 aufgenommen.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hefner, Otto Titan von: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. Weißenburg, Nordgau. 1861. S. 95. Tafel 19. Figur 731.
  2. 2,0 2,1 Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 55.
  3. 3,0 3,1 Bernd, Christian Samuel Theodor: Die Hauptstücke der Wappenwissenschaft: Die allgemeine Wappenwissenschaft in Lehre und Anwendung: nach ihren Grundsätzen in Europas Ländern aus den Quellen dargestellt, und mit Tausenden von Beispielen wirklicher Wappen aus jenen Ländern (..). Band 2. Bonn, 1849. (f. Google). S. 292 f.
  4. 4,0 4,1 Vgl.: J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 142. Tafel 30. Figur 1 und 2. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
  5. Johann Siebmacher: New Wapenbuch : Darinnen deß H. Röm. Reichs Teutscher Nation hoher Potentaten Fürsten, Herren, und Adelspersonen auch anderer Ständt und Stätte Wapen ... beneben ihrer Schilt und Helmkleinoten, Nürnberg, 1605-1609. (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-2384)
  6. herissée = borstig, straubig; stachelig, mit Stacheln besetzt; vgl.: Nouveau Dictionnaire français-allemand et allemand-français. Band 1. Strabourg, Paris. 1810. S. 377
  7. Claude-François Ménestrier: La méthode du blason. Lyon 1688. S. 219. (Google)
  8. Cornière = Handgriff; vgl:
    Theodor Schuster: Neues vollständiges Wörterbuch der deutschen und französischen Sprache. Band 1. J. J. Weber. 1868. S. 397
  9. Cornière = Kesselrinken; vgl:
    Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2, S. 74 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
  10. Wikipedia-Autoren: Cornière (homonymie). In: französischsprachige Wikipédia. Erstellt: 7 Dezember 2016, 15:12 UTC, > Permantentlink. Abgerufen: 19. April 2019
  11. Kühnen, Georg Wilhelm (Hrsg.): Wohlanständige Adels-Zierde / Das ist / Neue Anleitung zu der sogenannten Herold- oder Wapen-Kunst. Wie dieselbe durch den hierinn sonderlich berühmten P. Claude François Ménestrier, in franzöischer Sprache verfaßt (..) nach dem Parisischen Exemplar so Anno 1691 aufs neueste herausgeben (..) 1694. S. 183. Tafel 1. Figur 7.
  12. Johann Christoph BrotzeW-Logo.png: Sammlung verschiedner Liefländischer Monumente, Prospecte und dergleichen. 10 Bände. Manuskript. 1776–1818. Band 1. S. 150
  13. Arnold Robens: Elementar-Werkchen der Wapenkunde. Drei Bände. Düsseldorf, Aachen. 1790-1791. Band 3: S. 213 f. Tafel 52. Digitalisat
  14. Arnold Robens: Der ritterbürtige landständische Adel des Großherzogthums Niederrhein: dargestellt in Wapen und Abstammungen. Weiß, Aachen. 1818. Band 2. (Digitalisat). S. 18 ff.
  15. Konrad Tyroff: Wappenbuch des gesammten Adels des Königreichs Baiern: aus der Adelsmatrikel gezogen. Bd. 3. Verlag des Wappenkunst und Kommissions-Bureaus , Nürnberg 1820. Folio 53r. (Digitalisat - Düsseldorf: Universitäts- und Landesbibliothek, 2015)
  16. Martin Carl Wilhelm von Wölckern: Beschreibungen aller Wappen der fürstlichen, gräflichen, freiherrlichen und adelichen jeztlebenden Familien im Königreich Baiern. Bände 1–4. Nürnberg, 1827. Band 3. S. 145-146
  17. Johann Andreas Tyroff: Wappenbuch der Preussischen Monarchie. 1828-1872. Band 2. Tafel 29. Digitalisat der BSB („Digitale Sammlungen“)
  18. Christian Samuel Theodor Bernd: Wappenbuch der Preussischen Rheinprovinz. Beschreibung der im Wappenbuch der Preussischen Rheinprovinz gelieferten Wappen nebst Farbtafel. Band 2: 1835. S. 24. (Digitalisat); Band 1: Tafel XXII. Figur 43. und 44. Digitalisat
  19. Ledebur, Leopold von: Adelslexicon der preussischen Monarchie. Rauh, ca. 1855. S. 136. Digitalisat.
  20. Ernst Heinrich Kneschke: Die Wappen der deutschen freiherrlichen und adeligen Familien: in genauer, vollständiger und allgemein verständlicher Beschreibung: mit geschichtlichen und urkundlichen Nachweisen. Band 1. 1855. S. 85 f.
  21. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, III. Band, 1. Abteilung; Der Adel des Königreichs Preußen: Grafen und Freiherrn; Verfasser: O. T. von Hefner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1857. S. 38 Tafel 45. und 46.
  22. Johann Andreas Tyroff: Wappenbuch des höheren Adels der deutschen Bundesstaaten. 1846–1865. S. 39
  23. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. Seite 136. Tafel 28. Figur 99
  24. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, III. Band, 11. Abteilung, 2. Teil; Der Adel der Russischen Ostseeprovinzen: Der Nichtimmatrikulierte Adel; Verfasser: M. Gritzner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1901. S. 218 f. Tafel 151.
  25. 25,0 25,1 Astaf von TranseheW-Logo.png: Die v. Tausas in Livland. Mit einer Tafel. In: Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragistik. 1909/10. S. 246–255.
  26. Max von Spiessen: Wappenbuch des Westfälischen Adels. Görlitz. 1901-1903. Band 1: S. 82; Band 2 Tafel 216
  27. Eduard van de Loo:
    • Die Bedeutung des Namens Loo und des Loo-Wappens. In: Loo-Kroniek. Zeitschrift der Familie Loo. Nummer 66. 30. April 2020. ISSN 2211-1654. S. 2-17.
    • Loe-Wappen Forschung II. Die Fortsetzung der Loe-Wappenforschung, die in der Loo-Kroniek Nr. 66 veröffentlicht wurde. 4. Juni 2020. (Text der Heraldik-Wiki-Redaktion vor.)