Speerschuh (Heraldik)
Wortgeschichte
Wann der Ausdruck „Speerschuh“ erstmals Eingang in die Umgangssprache und in die Literatur fand ist unklar beziehungsweise nicht ausreichend untersucht. Vor dem 18. Jahrhundert ist er in der allgemeinen, in der heraldischen und waffenkundlichen Literatur nicht gebräuchlich. In den führenden zeitgenössischen Wörterbüchern des 18. bis 21. Jahrhunderts (Adelung, Pierer, Brockhaus, Meyers etc.) wird der Ausdruck nicht erwähnt -- mit einer Ausnahme: Lediglich das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm (1854-1961) kennt den Ausdruck.[1] Die Autoren des Deutschen Wörterbuchs nahmen unkritisch eine Bestimmung auf, die Maximilian Gritzner im Jahre 1889 in seinem Werk zur heraldischen Terminologie vortrug, um eine nicht identifizierte Wappenfigur zu beschreiben, die zuvor in der heraldischen Literatur als „alles Mögliche“ gedeutet wurde.[2]
- Obwohl er bis zum 19. Jahrhundert keine (oder keine wesentliche) Rolle in der Kunstsprache der Heraldik hatte, etablierten zwischen 1884 und 1911 Maximilian Gritzner und Gustav Adelbert Seyler den Terminus „Spe(e)rschuh“ im Zusammenhang mit ihrem Arbeiten am Neuen Siebmacher für Wappenfiguren in den Familienwappen Strasberger, Anckenreuth, Wining, Pfahler und Weismann von Weissenstein.[2][3] Keine dieser Familien führte jedoch so was wie einen „Speerschuh für Turnierlanzen“ im Wappen, wie der vorliegende Heraldik-Wiki-Beitrag zeigt.
- Im 20. Jahrhundert übernehmen heraldische Autoren wie Gert Oswald, Walter Leonhard und Jürgen Arndt/Werner Seeger, aber auch der rassistisch-okkultistische Esoteriker Guido von List in Anlehnung an den Neuen Siebmacher (Gritzner/Seyler) oder an das Grimmsche Wörterbuch den Ausdruck „Speerschuh (für Turnierlanzen)“ in ihre Werke, ohne die Wappenfigurdeutung als solche in Frage zu stellen.[4][5][6][7]
- Im 21. Jahrhundert machten sich die Autoren der deutschsprachigen Wikipedia die genannten Quellen ohne differenzierte, ausgewogene oder diskursive Untersuchung zu eigen und verbreiteten in einem Beitrag die veralteten, wissenschaftlich abwegigen Spekulationen zu vorgeblichen Speerschuhfigur.[8]
Heraldischer Speerschuhmythos
In den heraldischen Texten, in denen der Terminus „Speerschuh“ bis dato (2020) Verwendung findet, fehlen Nachweise, dass es einen von Menschen hergestellten, realen „Speerschuhgegenstand für Turnierlanzen“ überhaupt gab oder gibt. Keiner der oben genannten Autoren legt ein greifbares mittelalterliches Beweisstück eines „Speerschuhs für Turnierlanzen“ vor, welches bei einer archäologischen Unternehmung entdeckt oder oberflächig gefunden worden wäre und in irgendeiner Form der sogenannten „Speerschuhwappenfigur“ entsprechen würde, wie sie in der heraldischen Literatur dargestellt wird. Gritzner, Oswald und Wikipedia fantasieren ohne Belege einfach die Existenz eines Gegenstands („Schuh für Turnierlanze“), ein Handlungsszenario („steckt/schlägt/dreht man in die Erde“) mit exakter Positionsangabe („neben einem Zelt“) ins Blaue hinein:
„Speerschuh (Tafel XXV. Figur 63.): diente, neben das Zelt in die Erde gesteckt, zur Aufnahme des Schaftes der Turnierlanze. Auch dies Wappenbild ist schließlich als: „gestürzte Lanzenspitze" und alles Mögliche gedeutet worden (..)“
„Speerschuh: als Wappenbild selten vorkommendes Eisen, das neben das Zelt gesteckt der Aufnahme des Schaftes der Turnierlanze diente. Der Speerschuh wurde in älteren Blasonierungen oft fälschlich als gestürzte Lanzenspitze gedeutet.“
„Der Speerschuh (..) ist in der Heraldik eine seltene Wappenfigur (..) Im Realen ist es eine Eisenspitze, die zur Aufnahme des Speeres diente. Der Speerschuh wurde in der Kampfruhe neben dem Zelt oder dem Rastplatz in den Erdboden mit der Aufnahmeöffnung nach oben eingeschlagen/eingedreht. Auch zur Aufnahme der Turnierlanze fand der Schuh Verwendung (..)“
Der angenommene Gebrauch, die Herstellung, Entwicklung und der Niedergang eines derartigen Gegenstandes sind weder in den zeitgenössischen Werken der bildenden Kunst erkennbar dargestellt noch in der Literatur expressis verbis dokumentiert. Offensichtlich haben sich die Apologeten eines heraldischen „Speerschuhs“ in Benennung und Bedeutung ein wenig vergriffen. Dass es einfacher war, Stangenwaffen wie Speer, Turnierlanze, Spieß et cetera, wenn sie nicht gebraucht wurden, auf die Erde zu legen, in einer Ecke oder sonst wo anzulehnen, statt einen wie auch immer gearteten „Speerschuh“ mit herum zu schleppen, bemerkte bereits 1927 Otto Hupp an.[9] Ohne Verwendung eines besonderen „Speerschuhs“ ist beispielsweise in einer Miniatur im Codex Manesse die Turnierlanze (der Speer) des Hartmann von Starkenberg einfach mit einer Halterung an einer Wand aufgestellt. In anderen zeitgenössischen Darstellungen stehen zuweilen Stangenwaffen neben einem Zelt, aber in der Regel sind keine zusätzlichen, in die Erde gerammten „Speerschuhe“ erkennbar, in denen die Stangenwaffenschäfte stecken würden. Die Existenz solcher Zusatzgerätschaften erscheint insgesamt wenig plausibel. Durch Funde nachgewiesen ist dagegen, dass Stangenwaffen oft neben einer primären, eine sekundäre Spitze hatten, die man dazu nutzen konnte, die Waffe aufrecht in die Erde zu stecken (vgl. nachstehenden Abschnitt).
Realer Speerschuh in Waffenkunde und Archäologie
In der Waffenkunde und in der Archäologie hat der Terminus „Speerschuh“ (auch irreführend „Lanzenschuh“, „Krone“ oder ähnlich genannt, vgl. weiter unten Abschnitt Lanzenschuh)[10] eine andere Bedeutung als in der Heraldik. Ein „Speerschuh“ wird in den Lehren von den Waffen und den Altertümern als eine kurze, konisch zulaufende Metallspitze am rückseitigen Ende eines Speerschaftes bestimmt, die mehrere Funktionen haben kann:[11]
- Notbehelf/Sekundärklinge für den Angriff, wenn beispielsweise die obere Speerspitze abgebrochen ist.
- Standfuß, um beispielsweise bei Nichtgebrauch den Speer in die Erde zu stecken.
- Erhaltungsvorrichtung, um beispielsweise ein Aussplittern des Speerschaftes am Schaftende zu verhindern.
- Außerdem dient der Speerschuh als Gegengewicht zur Speerspitze, um den Speer besser im Gleichgewicht halten zu können.
„Speerspitzen sind im allgemeinen sehr schlank und leichter als Spieß- und Lanzenspitzen. Die Waffe durfte beim Wurf nicht kopflastig sein. Deshalb diente auch ein Schuh oder ein anderes Metallstück am Schaftende als Gegengewicht.“
Speerschuhe in der Bedeutung „zweite Spitzen (antiker) Speere/Stoßlanzen“ (wie beispielsweise dem Dory) sind durch archäologische Artefakte vielfach belegt; in keinem Fall sind sie mit einem zusätzlichen mittelalterlichen Fantasiegegenstand einiger Heraldiker gleichzusetzen, den man vorgeblich in der Erde gerammt haben soll, um Turnierlanzen aufzustellen.
Darstellung
Referenzwappen für den Speerschuhmythos
Als Referenzwappen für eine vorgebliche Speerschuhfigur wird in der Literatur gewöhnlich das Wappen derer von Pfahler angeführt (auch Pfaler, Pfaller, Pfaller zu Au und March oder ähnlich genannt). Es ist beispielsweise in einer Darstellung im Alten Siebmacher von 1605 überliefert. In diesem Wappenaufriss erscheint in Blau eine goldene, trichter-/kegelförmige, oben weite und unten enge Figur, an der sich oben rechts und links zwei (bewegliche) Kreisringe („Handhaben“? „Befestigungsringe“? aus Metall?) befinden. Im Alten Siebmacher wird sie kurz als gelber „pfal“ mit einer eisenfarbenen „Spitze“ und ebensolchen „Ringen“ bezeichnet. Im Österreichischen Staatsarchiv findet sich eine weitere Abbildung des Stammwappens der Pfaller zu Au und March aus dem Jahre 1636 (AT-OeStA/AVA Adel RAA 456.51). In dem letztgenannten Aufriss kann man neben einer eisenfarbigen Spitze deutlich zwei eisenfarbige Bänder erkennen, eines ganz oben, an dem die Kreisringe befestigt sind und eines in der Mitte der Figur. In späteren Aufrissen wird die Figur dagegen oft ohne Sonderfarbe und ohne diese „Bänder“ komplett in Gelb/Gold tingiert.
Eine ältere Darstellung von 1548 in anderen Farben findet sich in Vigil Rabers Kopie von fünf verwahrlosten Arlberger Bruderschaftsbüchern bei der Familie Pfahler/Pfaler zum Rammelsberg: In Schwarz eine goldene, trichter-/kegelförmige Figur mit silberner Gewindespitze, an der sich oben rechts und links zwei goldene Kreisringe befinden. Im Gegensatz zur Abbildung im Österreichischen Staatsarchiv besitzt die Figur hier kein wie auch immer geartetes „Eisenband“ (weder oben noch in der Mitte).
An welchen realen Gegenstand sich die Figur anlehnt, ist unklar, da im Wappenwesen das Heroldsbild Pfahl gewöhnlich nicht „trichter-/kegelförmig“ geformt ist. In der Realität sind Pfähle, die sowohl mit einer Eisenspitze und als auch mit eisernen Ringen ausgestattet sind, eher selten, so dass viel Raum für Spekulationen vorhanden ist, was die Wappenfigur zeigt.
Feldpflock (Heraldik-Wiki-Definition)
Einige heraldische Theoretiker griffen und greifen mangels zureichenden Quellenmaterials bei nicht eindeutig erkennbaren frühen Wappenfiguren zu Fantasiebezeichnungen. Auch die mit dem Ausdruck „(Turnierlanzen-)Speerschuh“ beschriebenen Wappenfiguren erweisen sich bei näherer Betrachtung der vorhandenen Wappendarstellungen keineswegs als solche, sondern als Motive, deren reale Vorbilder heute unbekannt sind oder die anderen Gegenständen (beispielsweise einem Feuerhaken) nachempfunden sind. Alle Wappenfiguren, die in der Vergangenheit von gutgläubigen Autoren als „Speerschuh“ beschrieben wurden, müssen erneut auf den Prüfstand. Dazu stellt das Heraldik-Wiki hier exklusiv die These auf, dass viele dieser Wappen nicht einen „Speerschuh“ zeigen, sondern einen „Feldpflock“ (sic!).
Dass das Anpflocken von Tieren mittels eines Feldpflocks in der Früh-/Blütezeit der Heraldik eine gewöhnliche Haltungsform war, ist evident. Die Beschaffenheit eines Feldpflockes für Pferde, seine Anwendung, seine Vor- Nachteile etc. wurden 1866 in der Allgemeine Militär-Zeitung dezidiert beschrieben. Sie dürften in ähnlicher Weise für frühere Zeiten gegolten haben und passen verblüffend zur Darstellung der Wappenfigur des Pfahler-Wappens:
„(..) Ein Feldpflock von weichem Holze, in der Länge von 1’ 11” von seinem Kopfe bis zur Spitze. Der Kopf im Durchmesser der Rundung 1’ 10” beiläufig mit einem Eisenband umgeben, um bei dem Eintreiben in den Boden das Splittern zu verhindern. Unter diesem Bande auf einen Zoll Entfernung ein zweites Eisenband, in welches mittelst eines durch dieses Band eingesetzten und am Durchschneidepunkt vernieteten Stiftes ein nach aus- und abwärts beweglicher Eisenring sich befindet (..) An seinem unteren spitzen Ende ist der Feldpflock in einer 4” hohen eisernen Schuh gefasst und dieser am Holze befestigt (..)“
Im Gegensatz zu den 1866 beschriebenem Feldpflock ist der Feldpflock, an den sich die Darstellung der heraldische Figur anlehnt, eher trichter-/kegelförmig ausgeprägt und besitzt einen zweiten Anbindering, an dem man zusätzlich eine zweite Leine anbringen konnte. Weiter unten wird in dem zitierten Beitrag erwähnt, dass man einen weit in die Erde getrieben Feldpflock nur schlecht wieder herausziehen konnte. Um dem abzuhelfen, kam man 1866 auf die Idee, an dem Feldpflock oben noch zwei sich horizontal gegenüberstehende Zapfen anzubringen, wodurch man den Feldpflock mit zwei Händen, statt nur mit einer Hand packen konnte. Eine ähnliche Funktion könnte der zweite Anbindering ebenfalls besessen haben; er könnte beim Abgrenzen/Markieren eines Grundstücks auch dazu gedient haben, die unterschiedlichen Eckwinkel von Flächen leichter justieren zu können, indem man beispielsweise je ein Seil in einem Ring befestigte und diese in einem Winkel von 90° oder einem anderen Grad straff zog.
Historische Deutungen der Figur im Pfahler/Pfaler-Wappen
Die Heraldik-Wiki-Redaktion deutet die Wappenfigur im Pfahler/Pfaler-Wappen als Feldpflock (nicht als „Speerschuh“)! Die zahlreichen anderen, wechselhaften historischen Deutungen der Figur, von denen viele bei genauerer Betrachtung zu ungenau, allgemein oder eher vage und nicht wirklich überzeugend sind, erläuterte Arno von Pfaler im 20. Jahrhundert. Dabei stellte er seinerseits Spekulationen an, an welchen Gegenstand die Figur angelehnt sein könnte.[16] Nachstehende Tabelle listet die zentralen historischen Deutungen der Wappenfigur auf:
1605-09 | Pfal | Eine knappe Beschreibung im Alten Siebmacher lässt offen, um welche spezielle Art Pfahl es sich handelt. Sie kann zu Missverständnissen führen, da eine Pfahlfigur in der Heraldik in der Regel anders aufgerissen wird als im Pfahlerwappen.
– Alter Siebmacher (1605-09)[17] |
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1690 | palus (dt. ‚Pfahl‘) |
Auch Philipp Jacob Spener bezeichnet die Figur im Wappen Pfahler nur vage und allgemein als ‚Pfahl‘:
– Philipp Jacob Spener (1690)[18] |
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1854-57 | Trichter |
Leopold von Ledebur deutet die Figur im Pfahlerwappen als Trichterfigur.
– Leopold von Ledebur (1854-57)[19] |
(ohne Wappenaufriss) |
1861 | Pfahlschuh Pfostenschuh |
Die Annahme, dass es sich bei der fraglichen Figur im Pfahler-Wappen Pfahler um einen sogenannten Pfahl-/Pfostenschuh handelt, wie Hefner und die Wikipedia nahelegen, ist abwegig.
– Otto Titan von Hefner (1861)[20]
– Deutschsprachige Wikipedia (2020)[8] Die Gestalt von Pfahl-/Pfostenschuhen hat sich seit römischer Zeit bis in die Gegenwart kaum verändert und unterscheidet sich signifikant von dem Wappenmotiv: Pfahl-/Pfostenschuhe erscheinen stets ohne zwei Kreisringe, da diese für ihren Gebrauch überflüssig, wenn nicht sogar extrem hinderlich sind. |
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1884 | Spe(e)rschuh |
– Gustav Adelbert Seyler : (Neuer Siebmacher, 1884)[3] |
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1884-87 | pieu dt. Pfahl/Pfosten |
Ganz unzutreffend und anders als sonst üblich bildet Victor Rolland die Figur des Pfahler/Pfaler-Wappens in seinem Werk ab. Er deutet die Figur scheinbar als eine Art gemeinen Pfahl, zumindest wird die Figur wie ein unten zugespitzter, vierkantiger Eichenpfahl gezeigt, dessen beiden Handhaben nicht wie sonst seitlich, sondern oben auf der Figur angebracht sind. Womöglich nahm er die Blasonierung von Johannes Baptista Rietstap wörtlich, der das Motiv als „Pfahl/Pfosten“ deutete:
– Johannes Baptista Rietstap (1884-1887/1967)[21] |
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1843-1917 (Lebensdaten) |
Pflock (mit Mundloch?) |
Die knappe Beschreibung lässt offen, um welche spezielle Art Pflock es sich handelt. Gallandi präsentiert im Zusammenhang mit dem Familiennamen Pfahler/Pfaler drei Wappen. Das erste gleicht dem Stammwappen im Siebmacher von 1884 (siehe oben). Das zweite ist vorgeblich angelehnt an einen Kaiserlichen Wappenbrief vom 18. Juli 1531 und erscheint mit einem gänzlich anderen Motiv im Wappenschild (einer Lilienkreuz-Herz-Kombination). Arno von Pfaler zitiert in diesem Zusammenhang Ottfried Neubecker, der es für möglich hält, dass das ursprüngliche Pflockmotiv im Laufe der Zeit schrittweise zu einem Lilienkreuz-Herz-Motiv umgewandelt wurde.[16] Das dritte zeigt halbgespalten und geteilt eine Zusammenstellung mehrerer Figuren. Gallandi bezeichnet den eisernen Schuh am unteren spitzen Ende des Feldpflocks vage mit dem mehrdeutigen Ausdruck „Mundloch“:
– Johannes Gallandi : (* 1843; † 1917; Ms. im Nachlass, posthum 1926/1935)[22] |
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1957 | Pfahler Pfahllochbohrer |
Arno von Pfaler stellt die These auf, dass das schwer deutbare Motiv im Pfahler/Pfaler-Wappen womöglich einem „Pfahllochbohrer“ nachempfunden ist.
– Arno von Pfaler (1957)[16] |
(ohne Wappenaufriss) |
Historische Deutungen der Figur im Wieninger-Wappen
Namensvarianten Weitere zum Teil nur regional gebräuchliche Bezeichnungen für des Geschlecht derer von Wien(n)inger sind
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Das Stammwappen der Pfaller zu Au und March wurde nach dem Aussterben des Geschlechts (die männliche Linie erlosch 1615) durch eine Verschränkung mittels Vierung mit dem Stammwappen derer von Wien[n]inger vereinigt. Die Heraldik-Wiki-Redaktion deutet daher die Wappenfigur in jenem Wappen, welches Joachim Wieninnger nach der Adelsbestätigung und der Wappenbesserung im Jahre 1636 im Feld 1 und 4 führte, ebenfalls als Feldpflock (nicht als „Speerschuh“ wie Seyler 1911 die Wappenfigur im Neuen Siebmacher und in der Nachfolge andere Autoren sie beschrieben).
1636 | (Keine Beschreibung recherchiert.) | Im Österreichischen Staatsarchiv findet sich eine Abbildung des Wappens von Joachim Wieninger; eine Wappenbeschreibung wurde nicht recherchiert, aber nach Deutung des Heraldik-Wiki-Redaktion erscheint in Feld 2 und 3 des Wappens je ein „Feldpflock“. | |
1705 | (Keine Wappenbeschreibung) | Im Siebmacher von 1705 findet sich eine Abbildung zum Wappen Die v. Wieningen; das Wappen wird in dem Werk aber nicht beschrieben. | |
1884-87 | masse d'armes dt. Streitkolben, Morgenstern |
Ganz unzutreffend und anders als sonst üblich bildet Victor Rolland die Figur des Wieningen-Wappens in seinem Werk ab. Er deutet die Figur scheinbar als eine Art Streitkolben oder Morgenstern. Womöglich nahm er die Blasonierung von Johannes Baptista Rietstap wörtlich, der das Motiv fehldeutete:
– Johannes Baptista Rietstap (1884-1887/1967) |
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1911 | Speerschuh | Im Neuen Siebmacher verwendet Seyler den Ausdruck „Speerschuh“ zur Beschreibung einer Figur im Wieninger-Wappen:
– Siebmacher/Gustav Adelbert Seyler (1911)[23] |
Historische Deutungen der Figur im Wappen der Weismann von Weissenstein
Die Figur im Wappen der Weismann von Weissenstein unterscheidet sich in allen Aufrissen signifikant von der Figur in den Pfahlerwappen und -derivaten. Schon aufgrund der signifikanten Unterschiede ist es abwegig, beide Motive als „Speerschuh“ zu bezeichnen (allenfalls könnte eine der Figuren einem wie auch immer gearteten Speerschuh nachempfunden sein, aber nicht beide). Bernhard Peter ist es zu verdanken, einen Aufriss des Wappens der Familie Weisman (Weismann von Weissenstein) auf einem auf 1651 datierten Epitaph des Wilhelm Kotz von Metzenhofen in der ev. Kilianskirche in Heilbronn wiederentdeckt zu haben. Das ist nur 36 Jahre nach dem die Weismann von Weissenstein geadelt wurden (1615), was die Vermutung nahe legt, dass dieser Aufriss eine sehr lebendige Wiedergabe des Motivs im Wappen der Weismann von Weissenstein darstellt.
Die Redaktion des Heraldik-Wiki weist erstmalig darauf hin, dass die Figur womöglich einem gespannten, nach oben gerichteten Bogen (oder einer gespannten Armbrust) mit einem (pfahlweise) auf-/unterliegenden Pfeil (bzw. Bolzengeschoss) nachempfunden ist (ähnliche Motive lassen sich in etlichen anderen Wappen nachweisen). Sie geht davon aus, dass die Spitze des Pfeil-/Bolzengeschosses unter dem Helm verborgen ist, der auf der Oberkante des Schildes aufsitzt und die dreiecksförmigen, zum Fuß des Stabes gezogenen Linien eine gespannte Bogensehne zum Ausdruck bringen. Auf dem nebenstehenden Detailausschnitt eines Photos des Wappens wurde eine Einfärbung ergänzt, die den Bogen und den Pfeil mit seiner angedachten Spitze skizzenhaft herausstreicht.
Beim Vergleich der Wappendarstellung von 1651 mit späteren Aufrissen fällt auf, dass die letzteren ganz und gar anders gestaltet sind. Die ursprüngliche Figur im Schildbild wurde peu à peu abgewandelt und aus den Linien/Bogensehnen wurde ein Heroldsbild (Feldteilung mittels Sturzspitze).
1651 | Stab, darauf ein Joch, von dessen Enden Linien gespannt sind | Bernhard Peter identifizierte 2013 auf dem Epitaph des Wilhelm Kotz von Metzenhofen eine frühe, vergleichsweise gut erhaltene Darstellung des Wappens der Familie Weisman.
– Bernhard Peter (2013)[24] |
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1856 | Bohrer Dolch Hellepartenspitze |
Im 19. Jahrhundert weist Otto Titan von Hefner darauf hin, dass das Wappen der Weismann von Weissenstein nicht einheitlich aufgerissen wird. Da er nur allgemein von einem „Instrument“ spricht, lässt seine Beschreibung des Wappens im Grunde offen, welche Figur im Wappenschild tatsächlich erscheint. Er nennt drei mögliche Alternativen, legt sich aber nicht fest, welche er favorisiert:
– Siebmacher/Otto Titan von Hefner (1856)[25] |
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1857 | Metallbohrer |
Die Autoren des Gothaischen genealogisches Taschenbuch gehen davon aus, dass die Figur im Wappenschild der Weißmann von Weißenstein ein „Metallbohrer“ darstelle. Tatsächlich zeigt ein zeitnaher Kupferstich aus den Tyroffschen Werken eine Figur, die von der Form her einer Art „Erdbohrer“ ähnelt (mit zwei „Handhaben“ am oberen Ende und einer spiralförmigen archimedischen Schnecke am unteren).[26]
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(im Taschenbuch keine Abb.) |
1877
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Partisanenspitze |
Im Jahre 1877 zitiert Gritzner die Blasonierung bei der Adelsimmatrikulation der Weissmann von Weissenstein und bestimmt die gemeine Hauptfigur in deren Wappen als „Partisanenspitze“:
– Maximilian Gritzner (1877)[28] |
(ohne Wappenaufriss) |
1882 | (ohne Angabe) | Im Baltischen Wappenbuch finden sich zwei Abbildungen zu den Wappen der Weissmann von Weissenstein; die Wappen werden darin aber nicht beschrieben. | |
1884-87 | vrille de fer dt. eiserner Bohrer, Eisenbohrer |
Bernhard Peter wies 2013 auf eine ungenügende Darstellung des Weissmann-Wappens im Rolland hin:
– Bernhard Peter (2013)[24] |
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1889 | Speerschuh | In seinem Werk „Grundsätze der Wappenkunst“ wendet Gritzner im Konjunktiv den Ausdruck „Speerschuh“ zur Beschreibung einer Figur im Wappen der Weissmann von Weissenstein an, die er mit der Figur im Pfahlerwappen gewissermaßen gleichsetzt.
– Siebmacher/Gritzner (1889)[2] |
„Speerschuh“ (?) versus Feuerhaken
1911 wendet Gustav Adelbert Seyler den fragwürdigen Terminus „Spe(e)rschuh“ auch im Zusammenhang mit den Wappenfiguren in den Familienwappen Strasberger und Anckenreut an. Was er sich dabei gedacht hat, ist unklar. Die heraldischen Motive sind erkennbar Feuerhaken nachempfunden und unterscheiden sich in der Gestaltung signifikant beispielsweise von der Feldpflockfigur im Pfahlerwappen.
Abgrenzung
Lanzenschuh
Der Ausdruck „Speerschuh“ und der mehrdeutige Ausdruck „Lanzenschuh“ (französisch sabot de lance, bout de lance oder botte de lance; englisch lance-bucket)[29] werden in der Literatur beziehungsweise in der Umgangssprache teilweise synonym und mißverständlich verwendet. Der Ausdruck „Lanzenschuh“ ist hauptsächlich in folgenden Bedeutungen gebräuchlich:
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Cave: Die Begriffe „Lanzenschuh“ und „Lanzenträger“ (bzw. „Fahnen-, Flaggen-, Standartenträger“) werden teilweise synonym verwendet; letztgenannte Ausdrücke sind aber auch Synonyme für den Rüsthaken (englisch lance-rest).
Wappenbilderordnung
- Die Ausdrücke Speerschuh und Lanzenschuh wurden im zweiten Band der Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) ohne Nummer und ohne Musterabbildung aufgenommen.[6]
Weblinks
- Stephen Francis Wyley (alias: Sven Skildbiter): The Spear Butt. 2020, abgerufen am 30. September 2020 (englisch).
Einzelnachweise
- ↑ Lemma Speerschuh. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 116. Tafel 25. Figur 63. Reprint on Demand. Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ 3,0 3,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, VI. Band, 1. Abteilung, 1. Teil; Abgestorbener Bayrischer Adel; Verfasser: G.A. Seyler; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1884. Seite 116. Tafel 117.
- ↑ 4,0 4,1 Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 371 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 269, Abb. 11 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
- ↑ 6,0 6,1 Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2, S. 307 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- ↑ Guido von List: Die Bilderschrift der Ario-Germanen (Ario-Germanische Hieroglyphik). Selbstverlag, Wien 1910. S. 334, 342 (Volltext online)
- ↑ 8,0 8,1 8,2 Seite „Speerschuh“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 7. Mai 2020, 15:15 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Speerschuh&oldid=199710108 (Abgerufen: 11. Mai 2020, 11:56 UTC)
- ↑ Otto Hupp: Wappenkunst und Wappenkunde: Beiträge zur Geschichte der Heraldik. München, Max Kellerer, 1927.
- ↑ Waffenkunde - Bezeichnungen. Speer. In: www.heydenwall.de. 11. Dezember 2019, abgerufen am 29. September 2020: „Der Lanzenschuh, oder auch Krone, ist eine meist metallene Hülse für das untere Ende des Speers, um Abnutzung beim Aufstellen des Speer zu verhindern. Es gibt aber auch Sonderformen mit besonderer Zweckbestimmung, wie beim friesischen Kletsie. Beim Kletsie ist der Lanzenschuh einen Art Dreizack, der einen besseren Halt im Boden erzeugen soll, um Gräben zu überspringen.“
- ↑ Christian Cameron: Der Lange Krieg: Bezwinger der Meere. Hamburg, 2020. (Originalausgabe: Poseidon's Spear; London, 2012)
- ↑ Heinrich Müller; Hartmut Kölling: Europäische Hieb- und Stichwaffen. Berlin, 1990. ISBN 3-327-00041-7. S. 39
- ↑ Stichwort: Pikettstab. Der Neue Herder: A bis Z. Band 5. 1969. S. 167
- ↑ Joachim Paul: Praxisorientierte Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Mit Beispielen und Fallstudien. Wiesbaden. 2006/2011/2015. ISBN 3658071060. S. 133.
- ↑ Vorschlag, die Pferde im Bivouac mit Fußfesseln anzubinden. In: Allgemeine Militär-Zeitung. Gesellschaft deutscher Offiziere und Militärbeamten (Hrsg.). 41. Jhrg. Nr. 20. Darmstadt. 1866. S. 154 ff. (Google)
- ↑ 16,0 16,1 16,2 Arno von Pfaler: Tarinaa vanhasta vaakunasta. (deutsch: Die Geschichte eines alten Wappens). In: Genos 28 (1957), S. 40-50. Abgerufen am 13. Mai 2020 (finnisch, Helsinki).
- ↑ Johann Siebmacher: New Wapenbuch : Darinnen deß H. Röm. Reichs Teutscher Nation hoher Potentaten Fürsten, Herren, und Adelspersonen auch anderer Ständt und Stätte Wapen ... beneben ihrer Schilt und Helmkleinoten, Nürnberg, 1605-1609. (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-1873)
- ↑ Philipp Jacob Spener: Insignium theoria: seu operis heraldici pars generalis [..]. Band 1. 1690. S. 281. Tafel 19. (Google)
- ↑ Leopold von Ledebur: Adelslexikon der preußischen. Zweiter Band: L-S. (1854-57, drei Bände). S. 193
- ↑ Hefner, Otto Titan von: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. Weißenburg, Nordgau. 1861. S. 96. (Google)
- ↑ Johannes Baptista Rietstap: Armorial Général. In: Armorial de JB RIETSTAP. /www.euraldic.com, abgerufen am 23. September 2020 (französisch, zitiert nach der genannten Internetseite).
- ↑ Johannes Gallandi: 12 Bände Stammtafeln ost- und westpreußischer Adelsgeschlechter, Wappensammlung. Nachlass im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Zitiert nach: Arno von Pfaler: Tarinaa vanhasta vaakunasta. (deutsch: Die Geschichte eines alten Wappens). In: Genos 28 (1957), S. 40-50. Abgerufen am 13. Mai 2020 (finnisch, Helsinki).
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, VI. Band, 1. Abteilung, 3. Teil; Abgestorbener Bayrischer Adel; Verfasser: G.A. Seyler; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1911. S. 140. Tafel 95.
- ↑ 24,0 24,1 24,2 Bernhard Peter: Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1965 Heilbronn (Regierungsbezirk Stuttgart) – Erstellt: 2013. Abgerufen: 26. September 2020
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, II. Band, 1. Abteilung; Der Adel des Königreichs Bayern; Verfasser: O.T. von Hefner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1856. S. 63. Tafel 67.
- ↑ Johann Andreas Tyroff: Wappenbuch des gesammten Adel des Königreichs Bayern. Nürnberg, 1868. Band 25. Abbildung 48. (urn:nbn:de:bvb:12-bsb10379417-4)
- ↑ Weißmann von Weißenstein. In: Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser. Siebenter Jahrgang. Gotha. 1857. S. 833 f.
- ↑ Maximilian Gritzner: Standes-Erhebungen und Gnaden-Acte Deutscher Landesfursten: während der letzten drei Jahrhunderte. Görlitz. 1877. S. 60.
- ↑ 29,0 29,1 K. W. Bouwensch: Viertalig militair-technisch Woordenboek. Hollandsch-Duitsch-Fransch-Engeksch. Gravenhage. 1906.
- Lanzenschuh: S. 128, 195
- Fahnenschuh: S. 195, frog 244
- ↑ Jacob von Eggers: Neues Kriegs- Ingenieur- Artillerie- See und Ritter-Lexicon: worinnen Alles, was einem Oficier, Ingenieur, Artilleristen und Seefahrenden aus der Tactique, der Civil- Militair- und Schiffsbaukunst, der Artillerie, der Mechanic, dem Seewesen ec. zu wissen nöthig, sattsam erläret und mit Kupfern erläutert ist. Band 1. Band 5. Dresden, Leipzig. 1757. S. 825 f. (Google)
- ↑ Claus Ahrens: Sogenannte „Lanzenschuhe“ in spätsächsischen Gräberfeldern. In: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte. Band 44. Hildesheim 1975. S. 361-366