Richtrad

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Dieser Artikel behandelt das Richtrad in der Heraldik, für die damit vollzogene Todesstrafe siehe: RädernW-Logo.png
1909: Richtrad mit 8 ge­drech­sel­ten Speichen, auf der Felge mit 8 gekrümm­ten spitzen Eisenzacken besetzt (=„Katharinenrad“; nach Arthur Charles Fox-Davies; Figur 556)

Das Richtrad (auch Marterrad, Justizrad, Sühnerad oder ähnlich genannt; frz.: roue; engl.: breaking wheel) ist in der Heraldik eine gemeine Figur, die hauptsächlich als sogenanntes Katharinenrad (frz.: roue de Ste-Catharine; engl.: Catherine wheel) in Wappen erscheint.

Darstellung

Der Allgemein-/Sammelbegriff Richtrad bezeichnet alle in Wappen bzw. Wappenaufrissen überhaupt vorkommende Darstellungen von wirklichen oder erdichteten Formen des Folter-/Hinrichtungsgeräts „Rad“ und zwar sowohl in ihrer natürlichen, als auch in ihrer heraldisch stilisierten Gestaltung und Färbung. Er sollte daher grundsätzlich nicht oder nicht allein zur Beschreibung/Blasonierung einer Wappenfigur verwendet werden. Statt dessen sind Ausprägung (Wagenrad, Viertelrad, gebrochenes Rad) Anzahl und Gestaltung der Speichen (gedrechselt, glatt), besondere Richtradmerkmale (außen mit Messern/Zacken/Haken o. ä. besetzt) et cetera explizit zu melden. Heraldische Richtradfiguren sind gewöhnlich folgenden Grundformen von erdichteten oder authentischen Folter-/Hinrichtungsgeräten in der einen oder anderen Weise nachempfunden:

Zeit­raum Fol­ter-/Hin­rich­tungs­methoden mit Richt­rädern Beispiel
Antike Grundform: Erdichtetes (mythisches) Feuer-/Schlan­gen­rad
In einem gewissen Sinn stellt das Feuer-/Schlan­gen­rad, an das IxionW-Logo.png zur Strafe für missbrauchte Gast­freund­schaft gebunden wurde, ein frühes „Richtrad“ dar. Der griechische Mythos, wie sich Ixion am Rad erst am Himmel, später in den Tartaros ewig herumdreht, wurde von späteren Kulturen und in Werken der bildenden Kunst in vielfacher Weise aufgegriffen.
 
(Marmorrelief 1. oder 2. Jhr. n. Chr.)
 
(neuere Darstellung)
Mittelalter
bis 19. Jhr.
Grundform: Erdichtetes Märty­rer-/Fol­ter-/Hin­rich­tungs­rad

Im Kontext von HagiographienW-Logo.png gestalteten „Theoretiker der Neuzeit“[1] mangels Quellen­ma­terials Phan­tasie­illu­stra­tionen, die das römische „Tormen­tieren“ (Martern) von „Heiligen“ (KatharinaW-Logo.png, GeorgW-Logo.png) mit einem Rad darstellen sollen. Die Phan­ta­sie­kon­struk­tionen des 15./16. Jhr. sind zudem von der griechischen Mythologie, von AristophanesW-Logo.png oder anderen Quellen beeinflußt, in denen das RädernW-Logo.png eher allegorisch behandelt wird, die aber wenig oder keinen Aufschluß über die historische Realität geben. Zu den erdichteten Nachbildungen zählen zum Beispiel:

  • Rad, an dessen Außenkranz Messer/Zacken/Haken o. ä. befestigt sind; das Opfer wird von diesen aufgespießt oder über in die Erde gesteckte Eisenspitzen gerollt.
  • Rad in einem stabilen Holzgestell mit Kurbel, darunter ein offenes Feuer; durch ständiges Drehen wird das Opfer der Hitze ausgesetzt, ohne unmittelbar zu sterben.
  • „Das Opfer wurde nackt auf zwei parallel liegende Balken gelegt wurde. Dann wurde ein mit kleinen Zacken besetzte Rad langsam vom Schritt bis zum Kopf geführt.“[2]
 
1591: Phantasierende Re­kon­struk­tion der antiken Räderung (Holz­schnitt von Antonio Tempesta)
 
Um 1450: Phan­tasie­rekon­struk­tion der antiken Folter des Hl. Georg mittels eines griechisch-römischen Martergeräts (Gerlamoos, Filialkirche; SteinfeldW-Logo.png)
Grundform: Echtes Folter-/Hin­rich­tungs­gerät (Wagenrad), vorrangig zur Verstümmmelung, seltener zum Töten

Das authentische „Rädern/Radebrechen“W-Logo.png erfolgte in zwei Schritten; im ersten wurde ein großes, sechs- bis zwölf­spei­chi­ges Wagenrad (manchmal mit eiserner Kante) dazu benutzt, die Glieder des am Boden in scharfkantigen Unter­leg­krip­pen (Krammen, Brecheln) oder in anderen „Ein­spann­vor­rich­tungen“ fixierten (männlichen) Verurteilten zu zerschlagen. Rhythmus sowie Anzahl der Schläge und der Speichen des Rades waren typischerweise genau bestimmt.

 
1484/85: Räuber und Mörder werden 1373 in Herlisheim im Elsass hingerichtet)
 
18. Jhr. Richtrad mit Unterlegkrippen
Grundform: Echtes Strafwerkzeug (Wagen-/Prangerrad), vorrangig zur öffentlichen Vorführung

Das authentische „Rädern/Radebrechen“W-Logo.png erfolgte in zwei Schritten; im zweiten wurden die Opfer (lebendig oder tot) respektive ihre Körperteile in ein „Prangerrad“ geflochten oder daran festgebunden; dasselbe wurde an einem Stock oder Pfahl am Richtplatz aufgerichtet. Die öffentliche Zurschaustellung konnte jahrelang dauern (bis die Knochen der Opfer von den aufgerichteten Rädern fielen).

 
um 1315: Richtrad (Darstellung im Soester NequambuchW-Logo.png)
 
(neuere Nachbildung)
Grundform: Fragliches Strafwerkzeug (Viertel-/Halbrad, ausgebrochenes Rad)
Manche Quellen legen nahe, dass die zeitgenössische Folter-/Todesstrafe des Räderns nicht nur mit vollständigen Rädern geschah, sondern auch mit Radteilen (zum Beispiel mit einem Viertelrad, das lediglich aus der Nabe, zwei bis drei Speichen und ein, zwei Felgenstücken besteht). Ob dies zutrifft oder nicht, ist fraglich beziehungsweise nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht.
1868[3]: Radebrechen ohne vollständiges Richtrad
alternative Beschreibung
2004/2005: Gebrochenes Richtrad (Wappen Bockstaller)

Gewöhnlich werden komplette Richträder in Wappen gezeigt, welche meist aus Radnabe, den Radspeichen und der Radfelge bestehen und manchmal außen auf der Felge mit geraden oder gebogenen Messern, Zacken, Haken oder ähnlichem besetzt sind (wobei die Abstände zwischen diesen gleichmäßig groß sind). Nach dem Prinzip pars pro totoW-Logo.png erscheinen statt einer ganzen Richtradfigur in Wappen teilweise auch ausgebrochene Richtradstücke beziehungsweise halbierte, geviertelte oder anders „verkrüppelte“ Richträder (ein gebrochenes Richtrad erscheint beispielsweise im Wappen der Familie Bockstaller in der Wappenrolle des Münchner Herold, Nr. 014/11042 aus dem Jahre 2004/2005). Die Radnabe ist typischerweise als runder Durchbruch („Loch“) gestaltet. Die Farbgebung oder Tingierung eines Richtrads erfolgt nach den heraldischen Regeln.

Katharinenrad

1650: Katharina, in der Linken ein Katharinenrad haltend (Siegel von HjørringW-Logo.png)
Stadtwappen von AltenaW-Logo.png mit der heiligen Katharina und ihren Attributen Schwert, Rad und Krone

Ein Richtrad mit Eigenname ist das sogenannte Katharinenrad. Es gilt als als AttributW-Logo.png der Märtyrerin St. KatharinaW-Logo.png.

Katharinen-Rad: (Marterinstrument der hl. Catarina) Rad mit krummen Haken statt der Zähnen, in dessen Nabe oft ein Dolch steckt.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]

Katharinenrad: als Symbol der Marterwerkzeuge der heiligen Katharina vom Berge Sinai dienendes, mit spitzen Eisenzacken besetztes Rad.“

Gert Oswald: Lexikon der Heraldik (1984)[5]

Der Legende nach wurde die wahrscheinlich frei erfundene Katharina im frühen 4. Jahrhundert gerädertW-Logo.png und anschließend enthauptetW-Logo.png. Das Martyrium erlitt sie vorgeblich unter dem römischen Kaiser MaxentiusW-Logo.png (306–312), nach anderen Angaben unter Maximinus DaiaW-Logo.png (305–313) oder unter MaximianW-Logo.png (286–305). Der Aufbau des Katharinenrad wird in der Legenda aureaW-Logo.png (ca. 1264) beschrieben. Demnach besteht es aus vier „mit eisernen Sägen und spitzen Nägeln“ gesäumten Rädern.

„Zwei davon sollten nach unten bewegt werden und die anderen entgegengesetzt nach oben und somit die Märtyrin zerreißen. Auf Katharinas Gebet hin kam jedoch ein Engel und zerstörte das Folterinstrument mit solcher Wucht, dass zugleich 4000 Heiden getötet wurden.“

Deutsche Wikipedia (2017)[6]

Manchmal ist ein Katharinaattribut auch dann in einem Wappen präsent, wenn sich der Bezug im Laufe der Geschichte änderte oder ganz wegfiel. Beispielsweise war Katharina über Jahrhunderte Kirchen- und Ortspatronin von DensbornW-Logo.png (bis 1738). Dementsprechend erscheint im Wappen von Densborn im silbernem Schildfuß ein schwarzes Katharinenrad (Richtrad). Ende des 18. Jahrhundert fokussierte man sich jedoch auf das PatroziniumW-Logo.png der Pfarrkirche und Maria MagdalenaW-Logo.png trat mit ganz anderen ikonografischen Heiligenattributen an die Stelle von Katharina, ohne dass man diesem Umstand im Wappen von Densborn in Rechnung trug.

Katharinenrad und Richtschwert

Weitere Attribute der Katharina sind Buch, Krone, Palmzweig und das Richtschwert[Notiz 1]. Eine Schwertfigur erscheint bevorzugt mit einem Rad/Richtrad in einem Orts-, Kloster- oder Kirchenwappen, wenn darin ein Namensbezug oder ein anderer Zusammenhang zur Heilige Katharina versinnbildlicht wird (beispielsweise im Wappen von Sankt KatharinenW-Logo.png). Beide Figuren werden in solchen Fällen teils miteinander zu einer Gesamtfigur kombiniert, teils freisstehend und unabhängig voneinander gestaltet.

Wappen StKatharinen linz.gif
Wappen Sankt KatharinenW-Logo.png:
Gespalten und vorn geteilt; vorn oben in Silber ein durchgehendes schwarzes Balkenkreuz, unten in Rot ein silberner Schlüssel mit gotischer Vierpaßreite und linkshin gewendetem Bart; hinten in Blau ein halbes, entlang der Spaltung zerbrochenes goldenes Richtrad mit acht Speichen des ganzen Rades, bedeckt von einem gestürzten silbernen Schwert mit von Silber und Rot zweireihig geschachtem Griff.
Coat of arms de-be weissensee 1987.png
Wappen Berlin-WeißenseeW-Logo.png:
In Silber ein mit 14 krummen blauen Messern besetztes sechsspeichiges rotes Richtrad, durch das ein gestürztes blaues Richtschwert mit goldenem Griff gesteckt ist.
Wappen Ransel (Rheingau).png
Wappen RanselW-Logo.png:
In Blau silbernes Richtschwert, mit halben goldenem Rad belegt.
Escudo de Alía.svg
Wappen AlíaCoat of Arms of Spain klein.png:
In Rot achtspeichiges goldenes Richtrad, oben begleitet mit nach rechts gerichteten, silbernen Schwert mit goldenem Gehilz

In der Kirche von TarnowW-Logo.png bei Bützow befindet sich in einer Gewölbekappe ein Deckengemälde[7] mit der Darstellung des Martyriums der heiligen KatharinaW-Logo.png. Hier wird eine gekrönte Jungfrau kniend mit dem Schwert hingerichtet. Eine ähnliche Darstellung findet sich auch im Wappen von ČakajovceW-Logo.png.

Richtrad und der Heilige Georg

Der Heilige Georg aufs Rad geflochten
 
1781: Silbermann-Orgel; St. Georgs-Kirche Molsheim
 
Wappen von MolsheimW-Logo.png

Weniger gebräuchlich als das Katharinenrad ist ein Richtrad, auf das ein nackter, nur mit einem Lendentuch bekleideter Mann („Georg“) geflochten ist. Der römischen Offizier Georg (bekannter unter den Ausdrücken „Drachentöter“ oder Heiliger GeorgW-Logo.png) wurde der Überlierferung nach wegen seines Glaubens von Kaiser Diokletian auf ein Rad gebunden, um seine Knochen zu brechen. Georg gilt u. a. als Schutzherr der Kreuzfahrer, Englands und Georgiens und zählt zu den 14 NothelfernW-Logo.png sowie gemäß seinem Namen Georgios, der „Landmann“ bedeutet, als Bauernpatron.

Wappenbilderordnung

Symbolik

Unklar (beziehungsweise nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht) ist, in welchen Fällen und ob ein Richtrad und/oder ein Richtschwert in einem Wappen ein Kennzeichen für das Recht der BlutgerichtsbarkeitW-Logo.png sind.

Sehenswertes

Noch erhaltene Richträder sind im

Siehe auch

Weblinks

Commons: Richtrad in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Katharinenrad in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Schild, Wolfgang: „Von peinlicher Frag“. Die Folter als rechtliches Beweisverfahren. In: Schriftenreihe des Mittalterlichen Kriminalmuseums. Nr. 4. Rothenburg ob der Tauber. Ohne Datum. S. 85 ff.
  2. Seite „Rädern“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. April 2017, 04:34 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=R%C3%A4dern&oldid=164830125 (Abgerufen: 19. Mai 2017, 11:17 UTC)
  3. Bermann, Moritz: Der Mörder des jüdischen Blutzeugen. In: Dunkle Geschichte aus Oesterreich. 1868. Tafel zwischen S. 368 und 369.
  4. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 210
  5. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 222.ISBN 978-3-411-02149-9
  6. Seite „Katharina von Alexandrien“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. Januar 2017, 18:01 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Katharina_von_Alexandrien&oldid=162082357 (Abgerufen: 10. Mai 2017, 21:07 UTC)
  7. Georg Christian Friedrich Lisch, Die Kirche zu Tarnow, In: Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.

Notiz

  1. Palmzweig, Richtrad und Richtschwert sind Attribute des Martyriums, die Krone ein Attribut des Sieges über das Fleisch sowohl im Martyrium als auch in der gottgeweihten Jungfräulichkeit.