Füllhorn (Heraldik)
Das Füllhorn (altgriechisch κέρας Ἀμαλθείας keras Amaltheias „Horn der Amaltheia“; lateinisch cornu copiae „Horn der Fülle“; französisch corne d'abondance; englisch cornucopia oder horn of plenty) ist in der Heraldik eine gemeine Figur.
Darstellung
Der Ausdruck „Füllhorn“ ist im Wappenwesen mehrdeutig und bezeichnet
- eine (gemeine) Füllhornfigur
- (veraltet und mißverständlich) eine Büffelhornfigur
(Gemeines) Füllhorn
Die gemeine Füllhornfigur ist dem Idealbild beziehungsweise den tradierten Darstellungen der bildenden Kunst des gleichnamigen trichter- oder tütenförmigen Flechtkorbs (ähnlich dem spitzen Gehäuses eine Schnecke) nachempfunden, der in der Mythologie ein Symbol des Glücks, des Wohlstands und des Glauben an Überfluss und Reichtum ist und vor allem zur Weinlese Verwendung gefunden haben dürfte (vgl. → Füllhorn).
„Das Füllhorn (Tafel XXVIII. Figur 39. 40.): sehr häufig in modernen Wappen, gefüllt mit Blumen, Früchten, wohl auch mit Geld, als Attribut der Flora, Fortuna oder eines Genius. Zu melden ist, ob es wie hier aufrecht steht, oder ob es gestürzt ist, ferne womit das Füllhorn gefüllt ist und nach welcher Seite es den Knopf (die Windung) kehrt.“
In der Heraldik kommt es beispielsweise in den Staatswappen von Peru und Panama vor.
- Füllhörner in Staatswappen
Unten: Füllhorn (Wappen Perus)
Füllhorn im Wappen Panamas
Füllhörner im Wappen Kolumbiens
- Füllhörner in Kommunalwappen
Silbernes Füllhorn mit goldenen Äpfeln, Blumen, Getreideähren etc. (Kiduliai
)
Unten: Silbernes Füllhorn mit ebensolchen Scheiben
(Niederfischbach)
Stadtwappen Charkow
, Ukraine, mit Füllhorn
Gestürztes Füllhorn im Wappen von Copiapó
Unten: Füllhorn im Wappen von Huntingdonshire
Farbgebung
Alle heraldische Farben sind für die Figur Füllhorn gebräuchlich; heraldisches Metall (Silber oder Gold) und Rot sind bevorzugt. Erscheint die Tinktur der Figur in abwechselnden Farben, sollte dies angezeigt werden (z. B.: schwarzes Füllhorn, golden-gestreift; Familienwappen Herbst, Oberpfalz). Die Farben der Objekte, mit denen das Füllhorn gefüllt ist, können gemeldet werden; werden sie nicht angezeigt, obliegen sie der künstlerischen Freiheit des aufreißenden Wappenkünstlers und der Gesamtharmonie des jeweiligen Wappens.
Füllhorn als Nebenfigur
Das Füllhorn erscheint auch als Nebenfigur, zum Beispiel, wenn es von einer anderen Wappenfigur gehalten wird.
Knabe, ein Füllhorn auf dem Rücken tragend (Hengelo
, Wappenbeschreibung, NL
)
Löwe, Füllhorn haltend (Matran
)
Fortuna, auf der linken Seite ein Füllhorn haltend (Gornau
)
Füllhorn im Oberwappen
Außer die Darstellung im Wappenschild ist auch eine im Oberwappen, wie im Wappen von Venezuelas und neben dem Wappen möglich.
Zwei Füllhörner im Oberwappen Venezuelas
Füllhorn alias Büffelhorn
Der Ausdruck „Füllhorn/Füllhörner“ ist in der Literatur eine veraltete, mißverständliche, doch mitunter zu findende Bezeichnung für Büffelhörner.
„Auch hat man (.. die) mit Mundlöchern ornamierten Büffelhörner als „Füllhörner“ bisweilen angesprochen, was wohl daher kommen mag, weil sie mitunter besonders mit Blättchen, Blümchen und dergleichen verziert und besteckt (..) erscheinen (..)“
Spätestens im 19. Jahrhundert kritisierten Heraldiker wie Maximilian Gritzner die Verwendung des Ausdrucks in dieser Bedeutung und wiesen auf irrtümliche Deutungen hin:
„(..) Wir wissen nicht, seit wann die durchaus unsinnige Bezeichnung „Füllhörner“, ja sogar „Fühlhörner“ aufkam. Jedenfalls würde bei der Adoptierung dieses (..) Namens die Erklärung derjenigen Art von Hörnern schwer fallen, welche sich an manchen Helmen schon im 14. Jahrhundert finden, und die am unteren Ende ein Stück Haut mit natürlichen „Ochsen-Ohren“ zu beiden Seiten zeigen, wir wenigstens wüssten keinen triftigen Grund anzuführen, weshalb an (.. „Füllhörnern“ -- Anm. der Redaktion) Ochsen-Ohren gewachsen sein könnten (..)“
Bei Büffelhornfiguren wird die paarweise Verwendung angestrebt; bei den oben genannten (gemeinen) Füllhörnerfiguren beschränkt man sich bevorzugt auf die Anzahl eins, selten auf zwei oder mehr.
Abgrenzung
Das Motiv „Füllhorn“ wird leicht mit der Figur Meeresschnecke verwechselt. Im Zweifelsfalle sind bei der Bestimmung die Blasonierung oder die Angaben des Wappenführenden/-stiftenden bindend.
1889: Kein Füllhorn, sondern eine Meeresschnecke (nach Siebmacher)
Siegel mit Füllhorn
Siegel von Cagayan de Oro
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Füllhorn wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Haus- und Küchengeräte unter der Nr. 9186 aufgenommen.
Weblinks


Literatur
- Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 137 f. (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
Einzelnachweise
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 132. Tafel XXVIII. Figur 39. 40. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 24.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 156 f.. Tafel XXXII. Figur 1-21. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.