Fortuna (Heraldik)
Fortuna/Tyche | |
Die römische Göttin Fortuna (auch Glücksgöttin genannt; lat. „Glück“, „Schicksal“; Fors Fortuna: „Macht des Schicksals“; Beiname Antias; frz.: Fortune; engl.: Fortune; beziehungsweise die mit ihr gleichgesetzte griechische Göttin Tyche, altgriechisch Τύχη Týchē) ist im Wappenwesen eine seltene gemeine Figur.
Geschichte und Bedeutung
Wann zum ersten Mal Fortuna/Tyche als gemeine Figur in einem authentischen Wappen erscheint, ist Stand 2022 unklar beziehungsweise nicht vollständig erforscht.
Die Wappenfigur verdankt ihre Aufnahme in das Wappenwesen spätestens von Renaissance und Barock an wohl dem wachsenden Interesse, durch eine allegorische Darstellung (Fortuna = Personifikation hauptsächlich des „Schicksals“ und des „Glücks/Unglücks“) auf den Namen des Wappenführenden hinzuweisen (zum Beispiel führt die Stadt Glückstadt die „Glücksgöttin“ als redende Figur). Mag sein, dass die Wappenstifter durch die Aufnahme der Fortuna-Allegorie den Nachfahren oder künftigen Wappenführeden ein „glückliches Schicksal“ wünschten oder widmen wollten – wobei die genaue symbolische Intention der Wappenstifter in den meisten Fällen unklar ist.
Darstellung
Wenn die Göttin ins Wappen gestellt ist, ist sie meist entsprechenden Abbildungen aus der bildenden Kunst der Antike, des Mittelalters oder der Neuzeit nachempfunden. Sie erscheint in der Regel als nackte junge Frau, mit langem, wallendem, lockigen Haar, wobei die Scham in vielen Fällen mit künstlerischen Stilmitteln bedeckt oder verborgen wird. Im Wappenwesen wird Fortuna mit signifikanten Attributen dargestellt, wie sie spätestens seit dem 12. Jahrhundert Zeiterscheinungen der bildenden Kunst sind: mit dem Lebens- oder Schicksalsrad, mit dem Füllhorn und/oder einem Segel respektive einem langem Umschlagtuch über und um sich, auf einer (geflügelten) Kugel (Globus, Erdkugel) rollend, selten als geflügeltes Wesen. Die genaue Ausprägung ist stets zu melden.
Grundformen
Folgende Grundformen (Auswahl) einer nackten oder zeitgenössisch bekleideten Fortuna sind beliebt, wobei einzelne Attribute in mehreren Grundformen erscheinen:
- „Gebende/Schenkende Fortuna“, mit Füllhorn, Glück und Unglück, Fruchtbarkeit, Wohlstand et cetera verteilend
- „Herrscherin Fortuna“ (im oder auf dem Rad des Lebens thronend; Imperatrix Fortuna: „ich werde herrschen, ich herrsche, ich habe geherrscht, ich bin ohne Herrschaft“)
- „Launische/lenkende Fortuna“ (das Rad des Lebens drehend oder haltend)
- „Geflügelte/engelhafte Fortuna“
- „Fortuna mit Segel“ (bzw. mit langem Umschlagtuch, oft auf einer [geflügelten] Kugel rollend)
Gebend, schenkend, mit Füllhorn, bekleidet (2. Jhr., Standbild mit Pontus, Mus. Constanța)
Herrschend, im Schicksalsrad thronend, bekleidet (11.-13. Jhr.; Buchmalerei; nach Carmina Burana)
Geflügelt, engelhaft, nackt (ca. 1502, Albrecht Dürer)
Beispiele
Im Wappenwesen wird vorwiegend die Grundform „Fortuna mit Segel“ oder mit Füllhorn auf einer Kugel dargestellt (zum Beispiel im Wappen Johann Georg Erkert, in Gaildorf, 1695: „Die Glücksgöttin auf geflügelter Kugel stehend“[1]).
„Fortuna (Tafel XXXI. Figur 55): oft vorkommend, gewöhnlich ganz nackt, stehend auf Kugel oder geflügelter Kugel, schwingend mit beiden Armen, über sich ein Segel, dessen Ende meist ihre Hüften umfliegt.“
Fortuna (Gornau, Erzgebirge)[3]
Fortuna in der Helmzier
Im dänisch-norwegischen Wappenwesen ist die Figur Fortuna auch in der Helmzier gebräuchlich (zum Beispiel bei den Familien Adeler und Cappelen).
Fortuna mit dänischer Fahne (Wappen Cort Adeler, 1622-1675)
Fortuna als Schildträger
Im Wappen von Richmond, British Columbia erscheint Fortuna in Form von Schildträgerinnen mit Füllhörnern, die auf den Reichtum der Stadt verweisen.
Attribute der Fortuna
Die Attribute der Fortuna (Füllhorn, Rad des Lebens) erscheinen sowohl in der bildenden Kunst als auch in der Heraldik manchmal in der Hand eines nackten Kindes beziehungsweise eines flügellosen Cupido.
Wappenbilderordnung
- Die Figur Fortuna wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Humanoide Wesen der Mythologie unter der Nr. 7761 aufgenommen.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, V. Band, 2. Abteilung; Zweitausend bürgerliche Wappen; Verfasser: O. T. von Hefner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1872. S. 25, Tafel 43
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 150
- ↑ Auf einer auf einem Globus mit blauen Meeren und silbernen Kontinenten rollenden geflügelten silbernen Kugel, mit beiden Händen auf der linken Seite ein goldenes Füllhorn haltend.