Lilienhaspel
Die Ausdrücke Lilienhaspel, Lilienzepterstern, Lilienzepterrad, Glevenhaspel, Glevenzepterstern, Glevenrad, Kleverad, Zepterrad, Karfunkel, Karfunkelstern, Karfunkelrad (frz.: rais d'escarboucle; engl.: escarbuncle, carbuncle, chabocle) oder ähnlich bezeichnen in der Heraldik
- eine gemeine Figur
- eine Schildversteifung/-verstärkung (bestehend aus Schildbuckel/Umbo und Buckelreis)
Geschichte
Buckel und Buckelreis
Der Schildbuckel („Umbo“) ist eine metallene (evtl. auch hölzerne) Kalotte, welche auf der Vorderseite eines Kampfschildes aufgenagelt ist. Neben anderen Funktionen (Schildzier, Ziel beim Speerkampf) dient er gemeinsam mit dem Buckelreis - das sind die vom „Buckelhaus“ radial ausgehende gleven-/lilienendigen Metallstäbe oder Metallverstrebungen - der Verstärkung/Stabilisierung eines Schildes. Schildbuckel und Buckelreis haben nach Hohenlohe und Seyler bis ins 13. Jahrhundert keine heraldische Bedeutung. Sie waren kein wappenmäßiges Bild, gleichwohl teilweise als ornamentale Zier geschmiedet.[1] Als Beleg für dieses Forschungsergebnis wird unter anderem der Grabstein des Minnesängers Graf Albrecht von Haigerloch und Hohenberg angeführt, der am 17. April 1298 verstarb. Auf seinem Grabstein erscheint der wirkliche Kampfschild mit einem Schildbuckel, aus dem deutlich 6 (metallene) Lilienstäbe hervorgehen. Beide haben nichts mit dem heraldischen Wappenschild und dem bekannten Wappenmotiv, der Silber-Rot Teilung, zu tun. Auch später ersetzte das Buckelreis des Kampfschilds nie im Hohenberg'schen Wappen das eigentliche Wappenmotiv, die Teilung, sondern spielte in der weiteren Geschichte des Familienwappens keine Rolle.
Graf Albrecht II. im Gefecht, ohne ein irgendwie „lilienhaspelförmiges“ Wappenmotiv
(aus Codex Manesse, um 1300 bis 1340)Wappen derer von Hohenberg ohne Lilienhaspel
(aus Züricher Wappenrolle, ca. 1335-1345)
Im Cleve'schen Wappen war es ganz anders: Um 1200 war das ursprüngliche Wappenbild ein Löwe (Heinsberger Wappenbild); außerdem führte die Familie ein Heroldsbild: ein silbernes Schildchen im roten Felde; Seyler belegt, daß im 13. Jahrhundert Glevenrad/Lilienhaspel nicht zum Cleve'schen Wappen gehörig waren, sondern nur als Schildverstärkung erscheinen. Erst im 14. Jahrhundert wird durch sphragistische Fixierung der haspelförmige Beschlag mit mittig gelegtem silbernen Schildchen ein wappenmäßiges Bild des gräflichen Wappens. Derivate des Cleve-Wappens referenzieren in der Folge gewöhnlich auf die Lilienhaspel, nicht mehr oder nur noch selten auf den Löwen oder das silberne Schildchen.
Weißes Schildchen im roten Felde, das ursprüngliche Wappen Haus Cleve (gemäß Reitersiegel von 1298, hier mit Turnierkragen)
Darstellung
Die gemeine Figur Lilien-/Glevenhaspel ist aus mehreren Elementen aufgebaut. Gewöhnlich besteht sie ..
- aus einem zentralen Ring von geringem Durchmesser (in Anlehnung an den Schildbuckel der früheren Kampfschilde); in der Regel liegt der Ring in der Schild-/Feldmitte eines Wappens („Mittelringlein“).
- Das Innere des Rings beziehungsweise die Nabe kann „leer/offen“ sein, so daß die Schild-/Feldfarbe oder die darunterliegenden Figur erscheint. Die französische Bezeichnung escarboucle beschreibt die geschmückte Form des Glevenrades. Hier war mittig ein Karfunkelstein als Schmuck eingesetzt. Es ist zu melden, wenn das runde Innere mit einem Zierstein in anderer Tinktur belegt ist oder eine ganze Figur (zum Beispiel ein „Schildchen“) über oder unter dem Ring liegt.
- Gewöhnlich sind aus dem Ring acht Stäbe in gleichmäßigen Abständen radial zum Schildrand ausgezogen.
- Die Stäbe gehen an ihren Enden entweder mit Glevenspitzen (=„Oberteil der Stangenwaffe Gleve“) oder mit heraldischen Lilien oder mit Gleven (=„heraldische Lilien ohne Unterteil“) aus; in der heraldischen Literatur werden die so ausgehenden acht Stäbe auch als acht Lilienzepter/Glevenzepter bestimmt.
„Von Figur 65. der Glefenspitze ausgehend, würde Figur 68., eine aus acht Glefen (Glefenzeptern) bestehendes Rad, Glefenrad benannt werden.
Glevenrad (Tafel XXX. Figur 90.): ein aus 8 Glevenstäben gebildetes Rad (ohne Felgen), in der Mitte mit grünen Smaragdgestein führt das Herzogtum Cleve als redendes Wappen.“
Varianten
Weniger/mehr als acht Gleven-/Lilienstäbe
Weicht die Anzahl der Gleven-/Lilienstäbe von acht ab, ist dies zu melden.
Unter-/Oberhalbe Lilien-/Glevehaspel
In einigen Wappen erscheint die Lilien-/Glevehaspel nicht vollständig, sondern wird als unter- beziehungsweise oberhalbe Lilien-/Glevehaspel dargestellt.
Bedeckte/belegte Lilien-/Glevehaspel
In einigen Wappen wird die Mitte der Lilien-/Glevenhaspel mit anderen Wappenfiguren belegt/bedeckt.
Ornamentale Abwandlungen
Durch eine weitere heraldische Farbe hervorgehobene Kugeln, Querbänder oder ähnliche, zusätzliche oder ersatzweise ornamentale Verzierungen an den Stäben oder am zentralen Ring sollten gemeldet werden, wenn durch sie die Lilien-/Glevenhaspel signifikant verändert wird. Zum Beispiel erscheinen in einigen Wappen keine heraldischen Lilien an den Stäben, sondern Kugeln.
Gleven-/Lilienkranz
Der Glevenkranz ist eine Abwandlung der Figur Lilien-/Glevenhaspel. Im Unterschied zur Figur Lilien-/Glevenhaspel ist das Zentrum des Glevenkranzes nicht notwendig „ringförmig“ als Nabe ausgeführt (in Ahnlehnung an den Buckel und das Buckelreis auf den ehemaligen Schilden), sondern zum Beispiel sechseckig, achteckig oder ähnliches (die genaue Ausprägung sollte gemeldet werden). Außerdem sind beim Glevenkranz die (geraden) Stäbe gewöhnlich „kranzförmig“ und ornamental umgeformt, so daß sie als ehemalige metallene Schildstäbe nicht mehr erkennbar sind.
Wappenbilderordnung
- Die Figur Glevenrad/Lilienhaspel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Handwerksgerät unter der Nr. 9419 aufgenommen.
Siehe auch
Weblinks
Bernhard Peter: Besondere Motive: Glevenrad und Karfunkel
Einzelnachweise
- ↑ Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. In: J. Siebmachers großes Wappenbuch. Band A. Repgrografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885-1889 (1890). Neustadt an der Aisch. 1970. S. 85 bis 89.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. S. 122 und S. 145