Webstuhl (Heraldik)
Der Ausdruck Webstuhl (auch Webmaschine, Handwebstuhl, Handwebmaschine; französisch métier à tisser oder métier à bras; englisch loom oder handloom) bezeichnet in der neueren Heraldik eine seltene gemeine Figur.
Geschichte
In Zunftwappen wird das Motiv Webstuhl gegenüber dem Weberschiffchen und der Kammlade vergleichsweise selten dargestellt. Einen Webstuhl führten beispielsweise die elsässischen Weberzünfte in Landau und in Erstein. Bevorzugt erscheinen Webstuhlfiguren in den Berufsiegeln/Berufswappen des 18. Jahrhunderts (zum Beispiel der Strumpfwirker-Profession), etwa zeitgleich mit der Erfindung des „fliegenden Schützen“ durch den Engländer John Kay im Jahre 1733, mit der etwa die dreifache Leistung des Webstuhls (ca. 40 m Schuss pro Minute) gegenüber dem damaligen Standard möglich wurde. Über die Berufs- und Zunftwappen kam die Figur insbesondere in die Kommunalwappen jener Kommunen, bei denen Weberei als bevorzugter Handwerks- respektive Industriezweig zu Wohlstand führte.
Darstellung
Die Gestaltung der Wappenfigur Webstuhl sollte sich -- heraldisch stilisiert -- zwanglos an die gleichnamigen mechanischen, von Hand getriebenen Vorrichtungen zur Herstellung von Geweben (bevorzugt aus der Zeit der Gotik) anlehnen. Gewöhnlich erscheint das Wappenmotiv als idealisierter Webstuhl mit horizontaler Kette (Flachwebstuhl); eine einfache Webstuhlfigur mit vertikaler Kette (Hochwebstuhl), eine stehende Webrahmenfigur (Gewichtswebstuhl), eine simple Weberblattfigur (auch Webblatt, Webkamm, Riet oder ähnlich genannt) oder ein Webbretchen sind unter ihrem Eigennamen oder durch Benennung ihrer besonderen Atttribute explizit zu melden und in Anlehnung an ihre realen Vorbilder zu gestalten. Die Darstellung einer modernen Webmaschine aus der Zeit der industriellen Revolution oder danach gilt als unheraldisch.
- Бердо.jpg
Weberblatt
Frühmittelalterliches Webbrettchen
Da Webstuhlfiguren selten sind, gibt es keine expliziten heraldischen Vorgaben für sie (außer jene, die für Handwerksgerätefiguren in der Heraldik allgemein gelten). Die Farbgebung der Webstuhlfigur sollte im Rahmen der heraldischen Tinkturen erfolgen, wobei Gold, Silber und Rot bevorzugt sind. Sind Teile der Webstuhlfigur andersfarbig hervorgehoben, sollten deren Farbgebung gemeldet werden.
Mit oder ohne Perspektive
Obwohl Wappenfiguren im Wappenschild grundsätzlich flächig (zweidimensional) gestaltet sein sollen, erscheinen Webstuhlfiguren zur besseren Erkennbarkeit, so weit die Quellen und Wappendarstellungen zurückreichen, mehrmalig im geringen Maße räumlich (dreidimensional), zum Beispiel in Kavalierperspektive. Vorrangig ist, dass sich die stilisierte Darstellung der Webstuhlfigur im Wappenaufriss der künstlerischen Gesamtharmonie unterordnet – und nicht einer hinfälligen Anschauung der neueren Heraldik folgt, nach der perspektivische Darstellungen von Wappenfiguren vorgeblich „unheraldisch“ sein sollen.
Verbreitung
Webstuhlfiguren erscheinen in der europäischen Wappenkultur vorwiegend in Kommunalwappen, zum Beispiel in den Wappen von Samugheo (Italien), Cosminele (Rumänien) und Cantabrana (Spanien).
(Webstuhl im Wappen von Cosminele)
(Webstuhl im Wappen von Cantabrana)
Weberschiffchen
Was mit dem „Weben“ in einem weiten Sinn zusammenhängt, wird im Wappenwesen gewöhnlich nicht durch die Figur Webstuhl, sondern durch die Figur Weberschiffchen versinnbildlicht (nach dem Prinzip pars pro toto).
Wappenbilderordnung
Beim Verfassen des Beitrags ist nicht bekannt, ob die Figur Webstuhl in die aktuelle Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) aufgenommen wurde. In der Wappenbilderordnung (1990-1996) wird sie nicht erwähnt.[1]
Siehe auch
Weblinks
- Wikipedia: Webstuhl
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).