Nagel (Heraldik)
Der Nagel (frz.: clou; engl.: nail) ist in der Heraldik eine Wappenfigur beziehungsweise eine gemeine Figur.
Darstellung
Die gemeine Figur Nagel ist dem gleichnamigen Stift aus Metall(seltener aus Holz) nachempfunden, der am unteren Ende zugespitzt, am oberen Ende beziehungsweise am „Kopf“ meist abgeplattet erscheint und vor allem dem Fixieren oder Verbinden von Bauelementen dient. Da das Motiv selten als zentrale Wappenfigur in Wappen erscheint, gibt es keine expliziten heraldischen Vorgaben, außer jene, die allgemein für gemeine Figuren gelten. Wurde nichts Besonderes gemeldet, sollte ein historischer Nagel im Wappen erscheinen, wie er zur Früh- und Blütezeit des aktiven Wappenwesens gebräuchlich ist.
Wenn die einzelnen Teile (Schaft, Kopf und Spitze) der Figur Nagel besondere Merkmale aufweisen, sollten diese möglichst exakt gemeldet („blasoniert“) werden, zum Beispiel:
Besondere Merkmale |
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Der Kopf des Nagels
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Der Schaft des Nagels
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Die Spitze des Nagels
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Die Art des Nagels
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Der Nagel erscheint hauptsächlich in Ein-, Zwei oder Dreizahl im Wappen. Eine größere Anzahl ist selten. Bei Mehrzahl sollte die Stellung der einzelnen Nägel im Schild/Feld zueinander gemeldet werden (zum Beispiel: „zwei über eins“, 2:1). Auch die Ausrichtung der Nägel ist zu melden, wenn sie vom Standard -- Nagel senkrecht, der Nagelkopf in Richtung oberer Schildrand gestellt -- abweicht. Die Figur Nagel erscheint in Wappen oft in Silber, Gold oder Schwarz, kann aber in jeder anderen heraldischen Farbe tingiert sein.
Drei im Dreipass deichselförmig gestellte Nägel (die wohl ursprünglich ein Schildbeschlag waren, Wappen der von Sydow)
Varianten und Derivate
Die Anzahl unterschiedlicher Nagelvarianten ist Legion. In der Heraldik sind Nagelformen/-arten nach Möglichkeit bei ihrem Eigennamen zu melden, um Verwechslungen beim Aufreissen auszuschließen.
Nagel mit pfeilspitzförmigen Kopf
Die Meinung des Heraldikers Maximilian Gritzner, der im 19. Jahrhundert eine einzige Darstellung der Figur Nagels verabsolutiert („möglichst spitz“, „mit pfeilspitzförmigen Kopf“), ist heute, da man etliche andere heraldischen Darstellungen eines Nagels kennt, nicht mehr haltbar:
„Nägel (Tafel XXIX. Figur 17.): kommen immer in dieser Form vor, mit möglichst spitzen, beinahe einer Pfeilspitzen ähnelndem Kopfe.“
Passionsnagel/Heiliger Nagel
Die Heiligen Nägel (auch Passionsnägel genannt), mit denen Jesus Christus an das Kreuz geschlagen worden sein soll, erscheinen in der einen oder anderen Form im Wappenwesen.
Hufnagel
Deichselnagel
Zeltnagel
Schuhnagel (handgeschmiedet)
Für Militär-, Gebirgs- und Arbeitsschuhe wurden früher teilweise besonder Schuhnägel von Hand geschmiedet. Im neueren Wappenwesen erscheinen diese in seltenen Fällen als gemeine Figuren (oft als Unikate). Jede Besonderheit ist der handgeschmiedeten Schuhnägel ist zu melden.
Kehrnagel
Der Kehrnagel ist in der Heraldik eine gemeine Figur. Sie ist dem „Nagel“ zum Einstellen des Pfluges nachempfunden, mit dem man festlegt, ob der Pflug tief oder weniger tief durch den Boden geht und der kein Nagel im eigentlichen Sinn ist.
Nagel bei einem Bekleidungs-/Schmuckstück
Nagel heißt früher auch der Dorn (beziehungsweise die Spangen-/Schnallennadel) in einer (Gürtel)Schnalle, Rinck, Spange, Fibel oder ähnlichem. Dementsprechend führen Familien namens Nagel manchmal einen entsprechenden Gegenstand der Bekleidung oder des Schmuckes als sprechendes Motiv im Wappen.
Totenschild des Freiherrn Conrad Caspar von Nagel 1764
Nagel als Nebenfigur
In zahlreichen Fällen ist ein Nagel nur eine Nebenfigur in einem Wappen von mehr oder weniger untergeordneter Bedeutung. Je nach Hauptfigur ist der Nagel in diesen Wappen ganz, teilweise oder nur als runder Kreis (= „Nagelkopf“) heraldisch stilisiert.
Derivat des Mainzer Rads, je ein Nagel sowohl auf dem Radkranz als auch auf der Nabe am Ende jeder Speiche (Frankfurt-Höchst)
Nägel in der Helmzier
Nägel erscheinen gelegentlich auch in der Helmzier eines Wappens.
Unheraldische Nägel
Darstellungen von modernen Metallnägeln, wie sie ab dem 15. Jahrhundert überliefert sind und ab dem 18. Jahrhundert industriell gefertigt wurden, kommen in einigen neueren Wappen vor, sind aber im älteren Wappenwesen nicht gebräuchlich. Wenn neuere Nageltypen oder moderne Nagelmerkmale in Wappen erscheinen (zum Beispiel ein Reißnagel/Reißzwecke oder ähnliches), widerspricht dies in gewisser Weise einem eher traditionell ausgerichteten Heraldikverständnis. Genauso sind Nägel, die man eindeutig einer Zeit vor dem Wappenwesen zuordnen kann, nicht für jeden ein heraldisches Motiv bzw. gelten manchen Heraldikern als unheraldisch. Merkmale, die aus unterschiedlichen Epochen der Nagelgeschichte stammen, sollten nicht miteinander vermischt werden, um potentiellen Stilbrüchen vorzubeugen.
Symbolik
- Der Nagel ist für redende Wappen eine geeignete Wappenfigur. Das Motiv erscheint in der einen oder anderen Form in vielen Wappen, die Familien namens Nagel, Silbernagel, Stülpnagel et cetera führen. Auch in amtlichen Wappen wird die Figur Nagel sprechend verwendet (zum Beispiel im Wappen der Stadt Nagold).
- Außerhalb der Heraldik ist der Nagel mit unterschiedlichen übertragenen Bedeutungen verknüpft (je nach Zeitgeist, Kulturkreis oder individueller Auslegung):
„Nagel, in vielen archaischen Weltbildern nördlicher Völker mit dem Polarstern als Weltachse verbunden, um die sich die Himmelskuppel dreht. In Zentralafrika wurden zahlreiche menschengestaltige Holzfiguren gefunden, die mit Nägeln besteckt sind (»Nagelfetische«). Meist wird der Nagel von den Zaubernden unter Ritualen eingeschlagen, um das in der Figur imaginierte Wesen an eine Aufsichtspflicht zu erinnern und Schutz zu gewähren. Auch bösartige Absichten sollen mit der Benagelung verbunden sein; der Nagel ist das Zeichen dafür, daß das Wesen im Idol den Menschen, der ein Anliegen hat, wirklich beachtet. In Mitteleuropa ist das Einschlagen von Nägeln in markante Bäume (z.B. Stock im Eisen, Wien) oder Holzfiguren oft traditionelles Zeichen der Anwesenheit oder eines Besuches durch Ortsfremde. Im christlichen Symbolgut erinnert der Nagel an die Kreuzigung Jesu Christi. Im hohen Mittelalter wurden vier Kreuzesnägel dargestellt, später (bei übereinandergelegten Füßen des Gekreuzigten) nur drei. Drei Nägel gehören auch zu der »Arma Christi«. Nägel gehören zu den Attributen von Märtyrern, die damit getötet wurden (St.Cyrus oder Quirinus, Pantaleon, Severus, Sta. Ingratia). – Die Nelke (»Nägelein«) wurde vielfach als pflanzliches Symbol der Kreuzigungsnägel betrachtet, besonders wegen der Form der Trockenfrüchte, die als Gewürz dienen (auch im Volkslied »Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt...«). »Der Nägelblum Geruch den Menschen ganz erquickt, / und ihre Wirckung wird nie ohne Krafft erblickt. / Wer Gott gehorsam ist, und thut, was Er befohlen, / dem gehet Glück und Heil stets nach auff der Fußsohlen« (Hohberg, 1675). – Eine Art von Nagel erhielt im 15. und 16. Jahrhundert eine abstrakte Bedeutung: der hölzerne »Zweck« (heute weiblich »die Zwecke«) in der Mitte der Zielscheibe, der Zielpunkt des Schützen. Sein Anvisieren führte zu einer Sinngebung von »Absicht, Sinn und Handlung«, die uns heute geläufig ist.“
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Nagel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Handwerksgerät unter der Nr. 9342 aufgenommen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften. Bd. 6. Stuttgart, Leipzig. 1908. S. 569-570.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 137
- ↑ Lemma: Nagel. In: Knaurs Lexikon der Symbole. Verlag Droemer Knaur. 1989/1994/1998. S. 301-302.