Nagelspitzenkreuz
Nagelspitzenkreuz (auch Nagelspitzkreuz; frz. croix alesée, les extrémités fichées; engl.: cross couped and fitched on all points) ist
- allgemein in der Heraldik: ein nicht wohldefinierter Oberbegriff für Kreuze, an deren Armenden mittig eine Spitze („Nagel-/Dornenspitze“) angebracht ist oder die (zumindest teilweise) irgendwie nagelspitzenförmig zum Schildrand ausgezogen sind.
- in der neueren Heraldik gewöhnlich: ein griechisches Kreuz, an dessen Armenden mittig eine Spitze („Nagelspitze“) angebracht ist.
Geschichte
Die Morpheme „Nagelspitz(en)-“ beziehungsweise „Nagelkopf-“ zusammen mit „-kreuz“ und die Ausdrücke „fußgespitzes Kreuz“, „Fußspitzenkreuz“, „Endspitzenkreuz“, „Steckkreuz“ oder ähnlich sind in der Heraldik und in der Umgangssprache teilweise nicht konsistent gebräuchlich. Je nach Quelle, Region, Zeitgeist, Mode et cetera sind sie unterschiedlich bestimmt und umfassen in der Darstellung im Wappen sehr unterschiedliche Kreuz-Motive. Dementsprechend befinden sie sich über die Jahrhunderte in einem andauernden Bedeutungswandel. In der Früh- und Blütezeit des Wappenwesen und lange danach sind die genauen Unterschiede zwischen diesen Kreuz-Varianten sowohl in der Darstellung als auch in der sprachlichen Bestimmung mehr oder weniger irrelevant. Beispielsweise findet sich im Wappen des Bistums Verden eines der ältesten überlieferten Kreuze, das vorgeblich nagelspitzenförmig erscheint. Dieses Kreuz wurde im Laufe der Geschichte ganz selbstverständlich in vielen, signifikant abweichenden Kreuzformen dargestellt. Der Siebmacher bemerkt:
„Das Wappen des Bistums Verden ist ein schwarzes Nagelspitzenkreuz in Silber. Indess erscheint das Kreuz in den Wappen der Bischöfe in sehr verschiedenen Formen: als gemeines heraldisches Kreuz oder abgeledigt und unten zugespitzt, oder breitendig und so weiter.“
Dem ist hinzuzufügen, daß das „Verdener Kreuz“ nicht nur von historischen Bischöfen in unterschiedlichen Varianten geführt wurde, sondern bis heute in viele Ausprägungen in Wappen vorkommt. Den gleichen Formenreichtum für ein vorgebliches „Nagelspitzkreuz“ finden wir in einigen Wappen, die mit dem Haus von Oldenburg zusammenhängen oder auf das Wappen der Familie referenzieren (vgl. den heraldischen Diskurs um Delmenhorst im Oldenburgischen Wappen). Eine entsprechende Kreuzfigur ist an einer Urkunde vom 3. April 1475 (Gerhard von Oldenburg) nachgewiesen, die in späteren Darstellungen anders erscheint.
Erst in der neueren Heraldik versucht man, die verschiedenen Nagelspitzenkreuz-Varianten genauer zu bestimmen, wobei man die Details eines Kreuzes erwähnt. Grundsätzlich empfiehlt es sich, im Blason nur Bezeichnungen oder Beschreibungen zu benutzen, die die entsprechende Wappenfigur eindeutig und konsistent erläutern. Im Zweifelsfall kann es sinnvoll sein, auf den Ausdruck „Nagelspitzkreuz“ oder ähnlich ganz zu verzichten. Curt Oswalt Edler von Querfurt geht schon im 19. Jahrhundert so weit, ein Nagelspitzkreuz für „unnütz“ zu halten:
„Nagelspitzkreuz: -- auch so ein unnützes Ding -- sieht aus wie ein schwebendes „Tatzenkreuz“ (..) und hat am unteren Ende nach dem Schildfuße zu einen schmalen Dorn wie eine Baßgeige.“
Darstellung
Die nachstehende Tabelle unterscheidet verschiedene Kreuzformen, die entweder in der heraldischen Literatur, bei Wappenbeschreibungen zu Wappendarstellungen oder in der Umgangssprache zusammen mit dem Ausdruck „Nagelspitzkreuz“ vorkommen. Grundsätzlich besitzen diese Formen oft mehrere Namen. Es ist stets zu unterscheiden, auf welcher Kreuz-Grundform ein Nagelspitzkreuz basiert (zum Beispiel griechisches Kreuz, Tatzenkreuz, lateinisches Kreuz), welcher Arm/welche Arme des vorliegenden Kreuzes „nagelspitzförmig“ sind (zum Beispiel alle vier; der untere) und in welcher Art und Weise die „Nagelspitze“ gestaltet ist (als gleichschenkliges spitzwinkliges Dreieck (Spitze) am Ende des Armes, als „Zuspitzung“ des Armendes oder als ganze „Spitze“, als „Nagel“ oder als „Dorn“, mit oder ohne Konturlinie zwischen Kreuzarme-Ende und der nagelförmigen Form ... und so weiter).
Beispiel | Form | Erläuterung |
---|---|---|
(gemäß WBO, Nr. 0339) (gemäß Siebmacher) |
Nagelspitzenkreuz |
Diese Form wird unter anderem in der Wappenbilderordnung des Herold, im Siebmacher und bei Walter Leonhard erwähnt. Bei dieser Kreuzform scheinen aus den vier Armenden „Nagelspitzen“ zu ragen (daher der Name). Die Form jeder Nagelspitze ist gewöhnlich einem gleichschenkligen spitzwinkligen Dreieck nachempfunden. Siebmacher nennt auf der Tafel VI. das Wappenmotiv „Nagelspitzkreuz“; im Fließtext auf Seite 37 aber auch Endspitz-Kreuz. Der Begriff Endspitzkreuz ist im gewöhnlich für ein anderes heraldisches Kreuz reserviert.
– Siebmacher/Gritzner (1889)[3] |
Nagelspitzentatzenkreuz |
Sind an den Armenden eines Tatzenkreuzes mittig kleine „Spitzen“ angebracht, nennen einige Autoren diese Form nicht Nagelspitzenkreuz, sondern treffender Nagelspitzentatzenkreuz oder endgespitztes Tatzenkreuz.
– Gert Oswald: Lexikon der Heraldik (1984)[4] | |
Sind die Armenden eines griechischen Kreuzes zu „Pfeilspitzen“ ausgezogen, empfielht es sich, diese Form eines Nagelspitzenkreuzes als Nagelkopfkreuz oder als Pfeil[spitzen]kreuz zu bezeichnen (oder einen anderen konsistenten Namen zu verwenden) | ||
Sind die Armenden eines griechischen Kreuzes zu „Rauten“ oder „Kantenwürfeln“ ausgezogen, empfiehlt es sich, diese Form eines Nagelspitzenkreuzes als Endrautenkreuz zu bezeichnen (beziehungsweise einen anderen konsistenten Namen zu verwenden) | ||
Sind die Armenden eines (griechischen) Kreuzes in Form einer Zuspitzung gestaltet (WBO, Nr. 0338), empfiehlt es sich, diese Form eines Nagelspitzenkreuzes als Endspitzkreuz zu bezeichnen (beziehungsweise einen anderen konsistenten Namen zu verwenden) | ||
Ist das Armende eines (griechischen) Kreuzes in Form einer Zuspitzung gestaltet, empfiehlt es sich, diese Form eines Nagelspitzenkreuzes als Fussgespitztes Kreuz zu bezeichnen (beziehungsweise einen anderen konsistenten Namen zu verwenden) | ||
Tatzenkreuz, der untere Arm komplett als Spitze ausgezogen |
– Gert Oswald: Lexikon der Heraldik (1984)[4] | |
(Wappen von Verden) |
Eingebogenes lateinisches Kreuz mit Nagel-/ Dornspitze am Fußarm |
|
(Wappen des Bistums Verden) |
Geradarmiges Tatzenkreuz, nur das Ende des Fußarms in Dreicksform ausgezogen |
Das Endes des Fußarms erscheint in diesem Fall in Form einer „Zuspitzung“, wie sie in der WBO bei den Nummern -611 bis -619 definiert ist. |
Verbreitung
Neben den sogenannten „Nagelspitzenkreuzen“, die man im Zusammenhang mit dem Bistum Verden oder der Familie von Oldenburg findet, zählen jene des braunschweigischen, ausgegangenen Adelsgeschlechts Frese/Fresen. Diese Familie führte vorgeblich in Rot ein goldenes oder ein silbernes „Nagelspitzenkreuz“.
Varianten des Frese(n)-Nagelspitzkreuzes
Derivate des Oldenburger Nagelspitzkreuzes
Derivate des Verdener Nagelspitzkreuzes
Wappenbilderordnung
- Das Nagelspitzenkreuz wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Kreuze unter der Nr. 0339 aufgenommen.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch. Nürnberg: Bauer & Raspe, 1854-1961. Band I. Abteilung 5. Bisthümer und Klöster. 1875. S. 132.
- ↑ Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 93.
- ↑ Siehe:
J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. - ↑ 4,0 4,1 Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984.