Zwerg (Heraldik)
Der Ausdruck Zwerg (althochdeutsch twerg, mittelhochdeutsch twerc, querh, zwerc; französisch nain oder gnome; englisch dwarf oder gnom) bezeichnet im neueren Wappenwesen eine seltene gemeine Figur, gewöhnlich männlichen Geschlechts (auch Gnom, Männchen, Männlein, Mendlin oder ähnlich genannt).
Darstellung
Die Figur Zwerg ist gewöhnlich einem frontal und breitbeinig stehenden, männlichen, bärtigen, kleinwüchsigen Menschen mit einfacher Schmied-/Bergarbeiterkleidung oder einem Wams und einer Tracht des Dreißigjährigen Krieges nachempfunden. Ein Wappen mit einer „Zwergin“ (weiblich) gibt es im Wappenwesen nicht (beziehungsweise ist, falls verwendet, genau zu beschreiben). Erscheint die Figur Zwerg mit Schmiedattributen oder Bergarbeiterutensilien (Gezähe, zum Beispiel Pickel, Hacke, Schlackengabel, Grubenlampe, Schlägel, Eisen), sollten diese gemeldet werden. Auch eine bestimmte Kopfbedeckung (Bergmannshut, (Tarn)Kappe, Zipfelmütze, federgeschmückter Schlapphut oder ähnliches) und Besonderheiten der Kleidung sollten angezeigt werden, insbesondere wenn diese eine andere heraldische Farbe als der Rest der Figur besitzen (zum Beispiel „goldene Knöpfe“, „Mühlsteinkrause“, „gespornte Reiterstiefel“). Wappenbeschreibungen beinhalten auch spezielle Gesten der Figur („Stein zum Wurf emporhaltend“).
Zwergfigur im Wappenwesen
Obwohl Zwerge im Hochmittelalter und zuvor in vielen Bedeutungen und Gestalten in den Lebens- und Kulturräumen der Menschen erscheinen, sind sie in der Frühzeit des Wappenwesen nicht als Wappenfiguren gebräuchlich. Sie finden ihren Einzug in der Wappenkultur vermutlich erst im Zeitgeist der mittelhochdeutschen Heldenepik, der höfische Dichtung und des Renaissance-Humanismus (15./16. Jahrhundert), als Zwergenkönige, Zwergenköniginnen, Zwergenritter et cetera in prächtigen Rüstungen aufkommen beziehungsweise die Zwergengesellschaft der höfischen Minnegesellschaft nachempfunden ist. Zwergfiguren, die sich an Zwerggestalten vor und nach der Früh- und Blütezeit des Wappenwesens anlehnen, gelten als unheraldisch (zum Beispiel der Gartenzwerg, Sindri, Alvíssmál). Tiefergehende Forschungen zum ersten Auftauchen von Zwergen im Wappenwesen stehen noch aus.
Zwergfigur (Fabelwesen)
Erscheint die Figur Zwerg in einem Wappen in Anlehnung an ein (regionales) menschengestaltiges, kleinwüchsige Fabelwesen des Volksglaubens oder der Mythologie (→ Zwerg, Mythologie), so sollte auch der Eigenname respektive der Regionalname stets inkl. der charakteristischen Merkmale der Zwergfigur angezeigt werden (zum Beispiel: „ähnlich Laurin mit Schwert“; „ähnlich Alberich mit Tarnkappe“). Regionale Bezeichnungen sind beispielsweise „Wichtel, Heinzelmännchen, Lutk (Lausitz), Querxe (Oberlausitz), Quergel (Ostmitteldeutschland), Vensmännlein, Fenixmännlein (Schlesien), Gütel (Erzgebirge), Barstukken (Ostpreußen), Killewittchen (Eschweiler)“[1] und so weiter.
Wohlenberger Zwerg
Der Zwerg und die Wiege im Wappen von Dalldorf (Ortsteil von Leiferde) verweisen auf „die Sage von der goldenen Wiege im Wohlenberg“, nach der Zwerge den Twargstieg (Zwergenstieg) hinaufgehen, um am Twargborn (Zwergbrunnen) ihre Krüge mit Wasser zu füllen. Eines Tages kommt zu den Zwergen ein Mädchen, bleibt bei ihnen und stirbt kurz darauf. Die Zwerge beerdigen das Mädchen in einer goldenen Wiege im Wohlenberg. Nach dem vergeblichen Versuch eines Bauernsohnes, die Wiege aus Gold zu bergen, ist die Wiege nach der Sage bislang verschwunden.
Querx
Im neueren Wappen der Gemeinde Dohma erscheint eine Zwergenfigur sinnbildlich für einen Querx (auch Querks, Querz, Querg, Quarg, Querkel, Querlich oder ähnlich genannt).[2]
Feld 1: In Rot ein gehender silberner Zwerg (Dohma)
Zwerg als Schildhalter
Zwerge sind in Europa teilweise als Schildhalter gebräuchlich, so etwa beim Hietzigbrunnen und im Wernigeroder Schloss mit den Wappen der Stolberger.
Zwerg versus angrenzender Wappenfiguren
Die Darstellungen von Zwergenfiguren sind nicht immer von anderen Wappenfiguren zu unterscheiden, die anderen Phantasiewesen nachempfunden sind. Beispielsweise erscheint im Wappen von Pinnow eine zwergenartige Figur, das sogenannte Petermännchen, welche im Grunde keine Zwerg-, sondern eine Koboldfigur darstellt. Sie ist einer Skulptur von Heinrich Petters in der Fassade des Innenhofes des Schweriner Schlosses nachempfunden („Schweriner Schlossgeist“). Die Stelzen in dem Wappen hängen nicht mit den ursprünglichen Sagen rund um das Petermännchen zusammen, sondern sind spätere Hinzufügungen zu den Legenden und Darstellungen rund um das Petermännchen.
Pinnower Wappen mit dem Petermännchen[3]
Fantasiewappen von berühmten Zwergen
Bekannten Zwergen wurden Phantasiewappen angedichtet. Beispielsweise zeigen die Runkelsteiner Fresken, die kurz nach 1393 entstanden, unter anderem drei Zwergengestalten mit fiktiven Wappenbildern auf den mitgeführten Kampfschilden (Zwergentrias bestehend aus Goldemar oder Laurin sowie Bibung und Alberich)[4].
Symbolik
Innerhalb des Wappenwesens eignet sich die gemeine Figur Zwerg als redendes Motiv für den Familienamen Zwerg, Zwergmann, Zwerger oder ähnlich.
„Zwerg zum Beispiel im Wappen der von Zwerger.“
Der Zwerg kann in der Wappenstiftung benutzt werden, um Bergbau oder Schmiedehandwerk in einem weiten Sinn darzustellen (z. B. um einen Beruf wie Bergarbeiter, Scheidejunge, Knappe, Bergschmied, Steiger, Bergkommissionsrat, Schichtmeister, Fördermann und so weiter anzudeuten).
Außerhalb der Heraldik hat der Zwerg im Volksglauben als dämonische, elbische oder sagenhafte Gestalt eine bedeutende Rolle, die mit zahlreichen und lokal unterschiedlichen Konnotationen verbunden ist.
Siehe auch
Webseiten
Einzelnachweise
- ↑ Seite „Zwerg (Mythologie)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. Oktober 2015, 10:55 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zwerg_(Mythologie)&oldid=146614828 (Abgerufen: 28. November 2015, 21:47 UTC)
- ↑ Lutz Näther: Das Wappen der Gemeinde Dohma. Abgerufen am 25. April 2023.
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Gold auf grünem Hügel stehend das rot behaarte und bebartete blau gekleidete Petermännchen mit blauem Hut nebst silberner Feder, mit silberner Halskrause, silbernem Besatz und silbernen Ärmelstulpen, rotem Gürtel, silbern gespornten roten Stulpenstiefeln, in beiden Händen (je) eine silberne Stelze haltend.“
- ↑ 4,0 4,1 Nach Joachim Heinzle soll es sich hierbei nicht um Goldemar, sondern um den Zwergenkönig Laurin handeln; für Goldemar spricht namensgemäß das rotgoldene Haar.
Vgl.: Joachim Heinzle in Walter Haug et al.: Runkelstein - Die Wandmalereien des Sommerhauses. Wiesbaden 1982. - ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 325