Erzengel Michael (Heraldik)
Der Erzengel Michael (auch Sankt Michael, Heiliger Michael oder ähnlich genannt; kurz St. Michael oder Michael; von hebräisch מיכאל; arabisch ميكائيل/ميكال DMG „Mīkā’īl“ bzw. „Mīkāl“, deutsch „Wer ist wie Gott?“; französisch St.-Michael; englisch St Michael) ist in der Heraldik eine gemeine Figur.
Geschichte
Wann zum ersten Mal der Erzengel als gemeine Figur in einem Wappen erscheint, ist unklar beziehungsweise nicht vollständig erforscht. Frühe Siegel mit dem Motiv werden auf einen Zeitraum zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert datiert. Es ist zu vermuten, dass die Figur in dieser Zeitspanne auch Eingang in das Wappenwesen fand. Genaue und konsistente Forschungen darüber stehen Stand 2021 aus. Viele der vorliegenden Wappen mit einer Michaelfigur sind nachweislich späteren Ursprungs.
1295: Siegel der Stadt Zwolle
1394: Siegel des Augustiner-Chorherrenstifts St. Michael
Darstellung
Die Darstellung der Wappenfigur Erzengel Michael gleicht -- heraldisch stilisiert -- entsprechenden Abbildungen aus der bildenden Kunst und aus dem Siegelwesen des Mittelalters. Sie erscheint gewöhnlich als Idealbild eines jugendlichen Mannes oder Ritters mit zwei mächtigen Flügeln, der eine (römische) Rüstung, ein Engelsgewand oder eine andere antike bis mittelalterliche Bekleidung trägt (zumeist aus kurzem Chiton, Brustharnisch, Chlamys und Stiefeln mit goldenen Beinlingen); die Figur wird in der Regel mit langen lockigen oder struppigen Haaren, im Normalfall ohne, manchmal mit Nimbus und/oder Helm dargestellt, oft in Kombination mit einem oder mehreren typischen Michaelattributen (flammendes Schwert, Stab/Kreuzstab/Lanze, Waage/Seelenwaage, Sphaira/Weltkugel), wodurch die Gestalt für Kenner der christlichen Ikonografie unmittelbar als Abbild des Michaels erkennbar ist. Führt die Michaelfigur einen Kampfschild mit sich, der beispielsweise mit dem Text Quis ut Deus
(„Wer ist wie Gott?“), mit dem Tetragrammaton JHWH
, mit dem Christusmonogramm IHS
oder einem anderen Schildbild verziert ist, so sollte dies in der Wappenbeschreibung angezeigt werden.
Zentrale Michaelformen in der Heraldik
Viele der in der bildenden Kunst gebräuchlichen Darstellungstypen/-formen für den Erzengel Michael werden im Wappenwesen angewendet. Die genaue Form/Haltung/Ausprägung sollte bei der Blasonierung stets beschrieben sein. Der Heraldiker Maximilian Gritzner bestimmte im 19. Jahrhundert nur drei zentrale Darstellungsypen der Michaelfigur:
– Siebmacher/Gritzner (1889)[1] |
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Tatsächlich gibt es mehr als drei zentrale Darstellungsvarianten des Erzengels Michael in der Heraldik, darunter zum Beispiel (unvollständige und willkürliche Auswahl):
Michael mit Seelenwaage
Der Erzengel Michael gilt als „Seelenwäger“ dessen Attribut unter anderem die sogenannte „Seelenwaage“ ist. Dementsprechend erscheint in etlichen Wappen der Erzengel Michael als Hauptfigur mit einer „Seelenwaage“ als Nebenfigur in seiner Linken, während er in seiner rechten Hand ein Schwert, Stab oder ähnliches hält. Sitzen in den Schalen der Seelenwaage Figuren (zum Beispiel ein nackter Mensch, ein Teufel oder ähnliches), sollte dies angezeigt werden.
in der bildenden Kunst | in der Heraldik |
Michael als Gotteskrieger
In manchen Wappen erscheint die Michaelfigur als eine Art wehrhafter, mehr oder weniger zum Kampf gerüsteter „Gotteskrieger“, mit einem Flammenschwert in der rechten, einem Kampfschild in der linken Hand.
in der bildenden Kunst | in der Heraldik |
Michael mit Drache
In vielen Wappen wird der heraldisch stilisierte Erzengel Michael mit einer Drachenfigur zu seinen Füßen kombiniert, um dem Sieg gegen „die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt“ (Offb 12,7 EU) bildhaften Ausdruck zu verleihen. Die Ausprägung, Haltung und Gestalt der Drachenfigur sollte in diesen Fällen in der Wappenbeschreibung möglichst genau gemeldet werden, beispielsweise ob er rücklings liegt, widersehend et cetera darzustellen ist (vgl. in diesem Zusammenhang den Beitrag → Drache).
Eine gebräuchliche heraldische Darstellungsvariante zeigt, wie die Michaelfigur einen finalen Tötungsstich durchführt. Dabei steht Michael auf dem sich zu seinen Füßen krümmenden Drachen und rammt ihm beidhändig (selten einhändig) einen Stab, Kreuzstab, eine Lanze oder ähnliches in den Drachenrachen (seltener in die Drachenbrust).
in der bildenden Kunst | in der Heraldik |
(einen Stab, Kreuzstab oder eine Lanze beidhändig führend; ohne Schild) |
Wenn die Michealfigur in der linken Hand einen Kampfschild (o. ä.) hält und mit der rechten Hand einen Stab (Kreuzstab/Lanze o. ä.) führt, um damit den Drachen niederzustrecken, sollte dies gemeldet werden.
in der bildenden Kunst | in der Heraldik |
(einen Stab, Kreuzstab oder eine Lanze einhändig führend; mit Schild in der anderen Hand) |
Auch die einhändige Tötung des Drachen mit einem Schwert/Flammenschwert ist in der Wappenbeschreibung genau zu bestimmen, insbesondere wenn mit der linken Hand der Michaelfigur ein anderes Objekt (Waage, Kampfschild et cetera) gehalten oder präsentiert wird.
in der bildenden Kunst | in der Heraldik |
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Michael mit Satan/Teufel
In vielen Wappen erscheint der Erzengel Michael in einer Art Kampfszene mit einer Satan-/Teufelfigur kombiniert, wobei letzere von der Michaelfigur gewöhnlich zu Boden gedrückt wird, sei es, dass der Erzengel auf der sich zu seinen Füßen krümmenden Satan-/Teufelfigur steht, sei es, dass er über ihr schwebt und sie mit (Flammen)schwert, Stab/Kreuzstab/Lanze oder einem anderen in der Wappenbeschreibung zu meldenden Gegenstand niederhält. Die Ausprägung, Haltung und Gestalt der Satan-/Teufelfigur sollte in diesen Fällen möglichst genau gemeldet werden (vgl. in diesem Zusammenhang den Beitrag → Teufel).
in der bildenden Kunst | in der Heraldik |
Michael mit Schlange/Drachenschlange
In einigen Wappen erscheint der Erzengel Michael mit einer Schlangen- oder eine Drachenschlangenfigur kombiniert (letztgenannte Motive sind stets ohne Beine darzustellen). In diesen Fällen ringelt sich die schlangenartige Figur gewöhnlich zu Füßen der Michaelfigur, während letztgenannte mit beiden Füßen, mit einem oder keinem auf dem Schlangenwesen steht.
in der bildenden Kunst | in der Heraldik |
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Michael, wachsend
In manchen Wappen erscheint die Michaelfigur als oberhalber Michael beziehungsweise wachsend (zum Beispiel aus dem unteren Schild-/Feldrand oder ähnliches).
Michael mit besonderem Objekt
Teilweise erscheint eine Michaelfigur im Wappenwesen nicht nur mit seinen gewöhnlichen Erzengelattributen, sondern auch mit anderen Objekten (Olivenzweig, Glocke, einem Bündel Blitzen und anderes mehr).
Mit Schwert und Olivenzweig (Heiligenstadt)
Mit Flammenschwert und Glocke (Svrkyně)
Attribute des Erzengels Michael
Nach dem Prinzip pars pro toto (lateinisch, übersetzt: „ein Teil [steht] für das Ganze“) erscheinen in einem Wappen manchmal anstelle einer Michaelfigur andere Motive, die auf den Erzengel oder seine legendären Taten verweisen. Beispielsweise zeigt das Wappen von Sankt Michael im Burgenland für den Erzengel Michael sein Attribut, die sogenannte „Seelenwaage“; und im Wappen von Frankfurt-Sossenheim verweist eine Lanze mit Flügeln, die einen Drachen durchbohrt, auf den Drachentöter, Bezwinger Satans und Seelenwäger am Tag des Jüngsten Gerichts.
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur (Erzengel/Heiliger) Michael wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Menschen und übersinnliche Wesen (Götter und Heilige): Christliche Heilige und biblische Gestalten unter der Nr. 7842 aufgenommen.
Siehe auch
Webseiten
Einzelnachweise
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 148. Tafel 31. Figur 36-38. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Eintrag zum Wappen von Engelthal in der Datenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte