Minerva (Heraldik)

(neuere Darstellung; fiktives Wappen Athens

Die mythologischen Göttinnen der Weisheit, der Künste, des Schiffsbaus, der Kriegsführung, des Handwerks und des Gewerbes, die Beschützerinnen der Dichter und Lehrer, Hüterinnen des Wissens
römisch |
Minerva![]() (griechisch Ἀθηνᾶ, ᾶς; französisch Minerva; englisch Minerva; Namensherkunft unklar; in der Literatur finden sich dazu einige widersprüchliche Theorien; teilweise wird der römische Name aus dem Etruskischen abgeleitet, teils der etruskische aus dem Römischen) |
etruskisch |
Menrva![]() (auch Menerva) |
griechisch |
Athene![]() (auch Athena oder mit Ehrentitel Pallas Athene; altgriechisch mit dialektalen Varianten, darunter das attische ![]() ![]() ![]() |
keltisch |
Brigantia![]() (seltener auch Brigindo, Bricta oder Brixia; lateinische Angleichung eines altkeltischen Namens [*Brigantī], was eigentlich „die Erhabene“ bedeutet)[1] |
sind im Wappenwesen seltene gemeine Figuren, die in der heraldischen Darstellung und in der Wappenbeschreibung (Blason) teilweise gleichgesetzt beziehungsweise gewöhnlich nicht voneinander unterschieden werden. Sie erscheinen als (allegorische) Wappenmotive einerseits unter dem Eigennamen der Göttinnen andererseits unter Beschreibungen wie „Göttin der Weisheit“, „Göttin der Kriegskunst“, „Göttin des Handwerks“, „Kampfjungfrau“, „Frau mit Medusenschild“ oder ähnlichem.
Darstellung
Die Gestaltung der Wappenfigur Minerva/Athene sollte sich -- heraldisch stilisiert -- zwanglos an die überlieferten fiktiven Darstellungen (bevorzugt aus der Zeit der Gotik) der gleichnamigen mythologischen Göttinnen anlehnen. Gewöhnlich erscheint das Wappenmotiv als idealisierte Kriegerin/Kämpferin, mit den typischen ikonographischen Attributen der Göttinnen: einem korinthischen Helm mit hohem Kamm auf dem Kopf, einem Rundschild/Ovalschild („Medusenschild“) in der Linken, einen Speer in der Rechten. Die Wappenfigur ist gewöhnlich mit einem in Falten gelegten Gewand (dem Chiton
) und der großen, den ganzen Oberkörper bedeckende Aigis
bekleidet.
Umgestaltung
Werden andere Merkmale in einem Wappen dargestellt, die mit der Göttin Minerva/Athene in Zusammenhang stehen (Olivenbaum, Eule, Spindel, Webstuhl), so sind diese unter ihrem Eigennamen zu melden (beispielsweise wenn der Schild wegfällt und die Figur eine Eule oder eine Schale in der Linken trägt). Besonderheiten in der heraldischen Darstellung (andere Helmform, von der Normalform abweichende Bekleidung etc.) sollten angezeigt werden. Erscheint die Minerva-/Athene-Figur im Wappen beispielsweise nicht mit einem korinthischen, sondern mit einem attischen Helm oder trägt die Figur statt dem Chiton eine volle (goldene) Rüstung, einen Brust-/Schuppenpanzer oder ähnliches, sollte dies stets angezeigt werden.
Typus
Gewöhnlich füllt die Minerva-/Athenefigur den Schild komplett aus oder „wächst“ aus dem unteren Schildrand, einer Teilung et cetera hervor. Um Verwechslungen zu vermeiden, kann die Wappenbeschreibung anführen, an welche Grundform sich die gemeine Minerva-/Athenefigur anlehnt. Im Wappenwesen sind folgende Typen konsistent und signifikant voneinander zu unterscheiden:
- Der „waffenschwingende Typus“ (Palladien-Typus): Das ist die heraldische Normalform. Es gibt zwei waffenschwingende Untertypen, die voneinander abzugrenzen sind:
- „schreitend“: In diesem Fall erscheint die Figur nach heraldisch rechts oder links gewendet, mit ausschreitenden Beinen, den Speer gehoben und zum Angriff gezückt, die Linke mit dem Rundschild zur Abwehr vorgestreckt.
- „stehend“: In diesem Fall erscheint die Figur frontal, mit geschlossenen oder wenig geöffneten Beinen; der Speer in der Rechten ist nicht zum Angriff gezückt, sondern wird annährend senkrecht gehalten; der Rundschild wird nicht zur Abwehr vorgestreckt, sondern „ruht“ zu Füßen der Figur oder wird entspannt von der Linken präsentiert.
- Der „thronende Typus“ (Athene-Polias-Typus): Im Wappenwesen selten; in diesem Fall erscheint die Figur auf einem Thron „sitzend“, was stets zu melden ist.
Niemals sollte die Minerva-/Athenefigur im Wappenwesen als Reiter („ein Pferd reitend“) dargestellt sein; sie kann aber als Wagenführerin eines Kampfwagens erscheinen, der beispielsweise von Flügelpferden, Einhörnern oder ähnlichem gezogen wird.
Stehender Typus: aus dem unteren Schildrand wachsende Minverva (Minerbio
)
Thronender Typus: Sitzende Minerva im Siegel Kaliforniens
Kopf/Haupt der Minerva-/Athene
Der Kopf der Minerva-/Athene ist in der Heraldik eine eigenständige gemeine Figur (Minervahaupt, Athenahaupt, Haupt der Minerva/Athene). Sie ist stets mit dem typischen Minerva-/Athenehelm aufzureissen und erscheint in der Normalform nach heraldisch rechts gewendet.
Minerva/Athena als Schildträger
Die Figur Minerva/Athene ist in der Heraldik spätestens seit dem 17. Jahrhundert als Schildhalter gebräuchlich.
etwa 1695/1700: Minerva als Schildhalter (mit Herkules; Giebelentwurf; Kurbrandenburgisches Wappen)
1836: Gräfliches Wappen der von der Wenge genannt Lambsdorff
(Edmonton
)
Minerva/Athena als Helmzier
Minerva-/Athenefiguren erscheinen zuweilen auch in der Helmzier (beispielsweise im Wappen derer von Muralt).
„die Minerva (Tafel XXXI. Figur 54.): in Brustpanzer, mit ihren Schild mit Medusenhaupt, Speer und Helm, worauf eine Eule, letztere auch zu ihren Füssen als Helmkleinod der von Muralt (..)“
(Wappen der Grafen Prokesch von Osten
)
Paraheraldik
Vor allem der Minerva-/Athenekopf ist in der Paraheraldik ein gebräuchliche Motiv, das zum Beispiel bei der Gestaltung von Logos, Schulemblemen, Militär- und Sportvereinsabzeichen et cetera genutzt wird.
Internes Verbandsabzeichen (Sanitätsakademie der Bundeswehr
)
Kopf der Athena im Siegel der Hotchkiss School
Kopf der Minerva (Minerva Theatre, Chichester
)
Kopf der Athena im Signet Universität der Bundeswehr München
Kopf der Athena im Signet Technische Universität Darmstadt
Logo von Finabel
Minerva als Schutzpatronin der Universität von Rio de Janeiro
Minerva Motors
Im Markenzeichen des belgischen Herstellers von Luxusautos, Minerva Motors, erschien zwischen 1902 und 1938 eine Minervahaupt.
Wappen und Embleme der spanischen Streitkräfte
Die Spanischen Streitkräfte (spanisch Fuerzas Armadas Españolas) haben eine Reihe von Schilden und anderen Emblemen mit Minerva/Athene als Wappenmotiv. Die Abzeichen erleichtern die Identifikation von Einheiten und Spezialkräften, die im Heer (Ejército de Tierra
), in der Marine (Armada Española
mit der Marineinfanterie Infantería de Marina
), in der Luftwaffe (Ejército del Aire
) sowie in der paramilitärischen Guardia Civil
, der 2005 gegründeten Unidad Militar de Emergencias
(UME, Militärische Nothilfeeinheit), in der Königlichen Garde (Guardia Real
) oder in der Spanischen Legion
die Landesverteidigung und die territoriale Integritäte Spaniens gewährleisten.
Wappenbilderordnung
Beim Verfassen des Beitrags ist nicht bekannt, ob die Figur Minerva/Athene in die aktuelle Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) aufgenommen wurde. In der Wappenbilderordnung (1990-1996) wird sie nicht erwähnt.[3]
Symbolik
Minervafiguren können ein redender Hinweis auf den Namen eines Wappenführenden sein (so verweist beispielsweise die Minervafigur in den Wappen der italienischen Kommunen Minervino di Lecce, Minervino Murge
und Minerbio
auf die Namen der Gemeinden).
Siehe auch
Weblinks

- Wikipedia: Minerva in der Mythologie
- Wikipedia: Athene in der Mythologie
- Wikipedia: Menrva in der Mythologie
- Athene. Internet: www.theoi.com. Abgerufen: 18. November 2018
Einzelnachweise
- ↑ David Stifter, 12. Oktober 2007, Keltisch in Österreich (Vortragstext in PDF-Form; 127 kB). S. 6. Abgerufen am 1. September 2008.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 149. Tafel 31. Figur 54. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Vgl. Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).