Spindel (Heraldik)

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Spindel
 
als Garn-/Spinn­spin­del (nach Siebmacher, 1889)
 
als Gewindespindel
 
als Heroldsbild bzw. „besondere, heroldsbildartige Form“

Die Spindel kommt in der Heraldik in mehreren Formen vor:

  • als seltene gemeine Figur, die einer Garnspindel (französisch quenouille; englisch spindle [of silk]) nachempfunden ist, die beim Spinnen verwendet wird.
  • als seltene gemeine Figur, die einer (hölzernen) GewindestangeW-Logo.png beziehungsweise einer Schrauben-/GewindespindelW-Logo.png nachempfunden ist.
  • als Motiv, das sich aus der Raute ableitet und eine besonders schlanke Form der Wecke darstellt (frz.: fusée, fuseau, fusil; engl.: fusil). Das Motiv zählt in der Regel zu den Heroldsbildern, wenn es die Schild-/Feldfläche durch an die Schild-/Feldränder reichende Begrenzungslinien „aufteilt“ beziehungsweise zu den „besonderen Heroldsbildformen“, wenn es den Schild-/Feldrand nicht berührt, also im Wappen „freisteht“).

Spindel (Spinn-/Garnspindel)

alternative Beschreibung
Spindel in der rechten Hand von Eva (Hunterian PsalterW-Logo en.png, ca. 1170)
alternative Beschreibung
Unten: Spindel (Wappen Franz von Pidoll, 1760; nach Zobel)

Die (gemeine) Spindel ist dem Idealbild einer Garnspindel nachempfunden und wird gewöhnlich mit aufgerollten Garn oder Faden in Wappen dargestellt. Eine „leere“ beziehungsweise „fadenlose“ Spindel ist zu melden.

„Die Spindel (Tafel XXIX. Figur 13.): erscheint ebenso im Wappen wie das Spinnrad (..)“

Siebmacher/Gritzner (1889)[1]

Spinnflügel

Der Spinnflügel ist ein U-förmiger Teil des Spinnrades. Er besteht unter anderem aus zwei Flügelarmen und einer mit dem Flügel fest verbunden Spindel mit Einzugsöffnung und seitlichem Auslass. Wenn ein Spinnflügel in einem Wappen erscheint, wird das Vorhandensein einer Spindel in der Regel nicht blasoniert. Beispielsweise erscheint im Wap­pen von KangasniemiCoat of arms of Finland.svg ein goldener Spinnflügel (finnisch rukin lyhty) mit silbernem Faden – in der Wappenbeschreibung wird jedoch keine Spindel erwähnt.[4]

Spindel (Gewindestange, Schrauben-/Gewindespindel)

 
Spindel einer Weinpresse (im Casa Museo del Campesino)
 
Pressspindel (Wappen der früheren Gemeinde GreisdorfW-Logo.png)

Spindelfiguren erscheinen im Wappenwesen manchmal auch in Anlehnung an hölzerne Gewindestangen beziehungsweise an Gewinde-/Schraubenspindeln (gewöhnlich ohne Werkzeugangriffe, nur mit einem Außengewinde), die in verschiedenen Geräten zum Einsatz kommen (bei Fasszügen, bei Most-, Wein-, historischen Drucker- oder anderen Pressen, bei Hobelbänken zum Einstellen der Zangen, bei Hebezeugen, Klemmvorrichtungen am Blochwagen im Sägewerk et cetera)[5]. Zum Beispiel erscheint im Wappen der früheren Gemeinde GreisdorfW-Logo.png eine „Pressspindel“. Wird eine Spindelfigur in Anlehnung an eine Gewindestange/Gewinde-/Schraubenspindel in einem Wappen dargestellt, empfiehlt es sich, falls vorhanden, einen Eigennamen in der Wappenbeschreibung (Blason) zu verwenden oder die Form und die Merkmale der Spindel zu umschreiben (zum Beispiel: einer „Gewindespindel/Spindelschraube einer Spindelpresse“).

Spindel als Heroldsbild

Das Heroldsbild (beziehungsweise die heraldische Sonderform) Spindel bezeichnet man teilweise auch als Wackel, Wachel oder Spitzraute. Die rautenförmige Wappenfigur besitzt im Gegensatz ähnlichen Wappenfiguren zwei extrem spitze gegenüberliegende und zwangsweise zwei extrem stumpfe Winkel.

Spindel versus Raute/Wecke

In der Früh- und der Blütezeit des Wappenwesens unterscheidet man nicht zwischen den genauen geometrischen Ausprägungen der Spindel gegenüber den Heroldbildern Wecke und Raute. Auch in der heraldischen Literatur werden die drei Begriffe (und weitere) teilweise synonym, teilweise widersprüchlich verwendet. Erst in der jüngeren Heraldik versucht man eine genauere begriffliche Abgrenzung. Beispielsweise leitet Ralf von Retberg im 19. Jahrhundert die „Spindelfigur“ aus der „Rautenfigur“ folgendermaßen ab:

„(..) Sind die Winkel der Raute über das eigentlich zugehörige Maß einestheils stumpf und andererseits spitz, das Bild also schmal (..) und langgestreckt, wie es bei zweien und natürlich noch mehr dreien der Fall zu sein pflegt, so heißt sie aufrecht gestellt -- Spindel* (*= Fußnote dazu -- Anm. der Redaktion: Was aber gewöhnlich als selbstverständlich nicht gemeldet zu werden braucht) ..“

Einige heraldschen Autoren präferieren folgende Abgrenzung:

         Name           Synonyme Erläuterung Muster
Wecke
frz.: fusée, fuseau, fusil
engl.: fusil
Sehr schmal und sehr lang („schlanke Raute“), mit zwei stumpfen und zwei spitzen Winkel nach der Spitze gezogen.
WBO-Code: 0661
Muster-Spindel.png
Meist im Plural;
Raute(n), Spitzraute(n), Spindel(n), Wachel(n), Wackel(n), Kärtchen, Wocken oder anders
Der Ausdruck Wecke ist unscharf und wird je nach Quelle etwas anderes bestimmt. Mayer von Mayenfels definiert die Figur etwas „schlanker und länger“ als die Raute, aber nicht so langgezogen und sehr schmal wie die Spindel[7]. In diesem Sinne könnte man von einer „mittelschlanken Raute“ sprechen, die mit zwei stumpfen und zwei spitzen Winkel nach der Spitze gezogen ist. Siebmacher/Gritzner vermeiden den Gebrauch des Ausdrucks: „Wie haben bei Obigem den Ausdruck „Wecke“ oder „geweckt“ wegen der möglichen Verwechslungen (..) vermieden, soviel uns bekannt, war derselbe auch bei den alten Heraldikern nicht in Gebrauch.“[8]
WBO-Code: 0661
Muster-Wecke.png
Wecke, Karo
frz.: losange
engl.: lozenge
Ein mittelmäßiger, spitzgestellter Rhombus, der schlanker als der Kantenwürfel erscheint. „Die Rauten sind fast niemals auf die Ecke gestellte echte Quadrate (..)“[9]
WBO-Code: 0641
Muster-Raute 01.png
echte Raute, quadratische Raute, „auf der Spitze stehendes Viereck“, Würfel;
frz.: carreau posé sur la pointe
engl.: lozenge
Kurz und gedrungen (ursprünglich wohl ein „auf die Spitze gestellter Schach“[10], also ein auf der Spitze stehendes Quadrat mit vier rechten Winkeln bzw. ein Spezialfall der Raute) Muster-Kantenwuerfel.png
Große Raute Raute (?)[11] Eine Raute, die den ganzen Schild respektive das ganzen Feld ausfüllt[12]; wird bei Mayer von Mayerfels „Große Raute“ genannt und durch ein rechtes und linkes Schräghaupt und durch einen rechten und linken Schrägfuß konstruiert[7]; Siebmacher/Gritzner nennen die Figur nur „Raute“.[11] Muster-Grosse-Raute.png

Spindel als Muster

Die Spindel kann in Einzahl, in Mehrzahl oder in Form eines Musters („Mosaiks“) in Wappen erscheinen, das den Schild oder das Wappenfeld flächendeckend durch Spindel „kachelt“. Die Lage der Spindel (beziehungsweise deren Winkel/Spitzen) wird gemeldet.

  • Sind die Spitzen flächendeckend im Schild oder Wappenfeld nach dem Schildhaupt gerichtet, so bezeichnet man dies als „senkrecht gespindelt“ oder lediglich als „gespindelt“.
  • Liegen die Spindeln flächendeckend im Schild oder Wappenfeld mit den Spitzen nach rechts und links, so ist bezeichnet man dies als „waagerecht gespindelt“.

Sinngemäß ist auch eine schräg gespindelte „Kachelung“ durch Spindeln möglich. Die Richtung im Schild sollte dann mit heraldisch links oder, falls notwendig, mit heraldisch rechts genauer erwähnt sein.

Die Spindel kann durch Farbe in verwechselter Tingierung in Längsrichtung oder Querrichtung geteilt sein und muss dann auch so beschrieben werden. Der Übergang von Wecke zur Spindel ist fließend.

Wappenbilderordnung

  • Die (Garn)Spindel als gemeine Figur wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt „Handwerksgerät“ unter der Nr. 9447 aufgenommen.
  • Die Spindel als Heroldsbild wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt „Schrägvierungen, Rauten, Wecken, Spindeln“ unter der Nr. 0661 aufgenommen.

Symbolik

Weberschiffchen, naturalistisch (redend: TuchenbachW-Logo.png DE)
  • Die Spindel ist für redende Wappen eine geeignete Wappenfigur (zum Beispiel für Familiennamen wie Spindler, Spille, Spiller et cetera).
  • Nach Gert Oswald sind die Spindel und die Spinnspule ein Symbol der Textilindustrie, genauso wie die Figur Weberschiffchen/Webschütze.[13]
  • Außerhalb der Heraldik gilt die Spindel seit dem Mittelalter als ein Symbol für „häuslichen Lebens“ beziehungsweise für das von (transzendenten) Mächten vorherbestimmte (geschickte) oder von Zufällen bewirkte, der Entscheidungsfreiheit des Menschen entzogene Leben („Schicksal“).
Die Nornen spinnen die Schicksale zu Füßen des Weltenbaumes

Spindel: Die Tätigkeit des Spinnens wird häufig mit weiblichen Triaden (Dreigestalt) übernatürlicher Wesen verbunden (ParzenW-Logo.png, MoirenW-Logo.png, NornenW-Logo.png), die den Schicksalsfaden zusammendrehen, aufwickeln und abschneiden. Die weibliche Tätigkeit des Spinnens wird ihrerseits häufig mit dem Mond in Zusammenhang gebracht, dessen drei Hauptphasen (Vollmond, Sichelmond, Neumond oder Dunkelmond) auf die dreigestaltige Hekate (Hekate triformis) hinzuweisen scheinen (Ranke-Graves). Auch das Weben von Schicksalsfäden wird weiblichen Gestalten der Überwelt zugewiesen. Daß die Spindel in der Märchensymbolik eine wichtige Rolle spielt und mit Tod und Schicksal zusammenhängt, so im DornröschenmärchenW-Logo.png, ebenso mit Triaden (»Von dem bösen Flachsspinnen«, Grimms Märchen I / Nr. 14), ist bekannt. Der scheinbar sterbende und auferstehende Mond weist weibliche Schicksalsmächte dem Begriffsfeld »Unterwelt und Neugeburt« zu. In der christlichen Bilderwelt wird Maria (etwa bei der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel) gern mit der Spindel in der Hand dargestellt, mit dem Rückverweis auf die Urmutter Eva, die ebenfalls oft spinnend abgebildet wurde (»Als Adam grub und Eva spann...«). Die Assoziation von Maria und der Mondsichel ist allgemein geläufig. – Das Spinnen als Domäne weiblicher Gottheiten und Priesterinnen ist eine weitverbreitete Vorstellung und u. a. bei Ixchel (Isch-tschél) der yukatekischen Maya bekannt, und zwar unter dem Aspekt der Göttin Chac-chel (Rätsch). Ixchel ist eine Mondgöttin und wird mit dem Webstuhl dargestellt, als Ixcanleom auch mit der Spinne verbunden. – Im europäischen Mittelalter ist die Spindel Symbol des beschaulichen Lebens und Attribut einiger weiblicher Heiligengestalten (Jeanne d'Arc, der Jungfrau von Orléans, als Hirtin; Margarete, Genoveva). – Auch sprichwörtliche Redensarten des deutschen Sprachraumes verbinden die Tätigkeit des Spinnens mit der Spinne, so etwa im übertragenen Sinn von »flunkern, halluzinieren« als »sein Garn spinnen«, ein »Hirngespinst« produzieren, wie die Spinne ihre langen Fäden aus dem Leib hervorgehen läßt; auch schlimme Ränke können gesponnen werden.“

Lexikon der Symbole (1989/1994/1998)[14]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Spindel (gemeine Figur) in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Spindel (Heroldsbild) in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.
  2. Wappenbeschreibung: „In Blau eine schräg gestellte, gestürzte, nach links gekehrte goldene Sichel, im nach oben offenen Sichelbogen eine schräglinke goldene Spindel mit Garn.“
  3. Wappenbeschreibung: „Argent, a chevron between three fusils (i.e. spindles) sable“
  4. 4,0 4,1 Wappenbeschreibung: „mustassa kentässä paaluittainen kultainen rukin lyhty, jossa lanka hopeaa“; freie deutsche Übersetzung: „In Schwarz ein pfahlweise gestellter, goldener Spinnflügel mit silbernem Faden“
  5. Hiltrud Ast; Georg Winner: Schraubenspindeln. Historische Holzverwendung und Waldnutzung in der Schneebergregion. Ausgehöhltes Holz. (Digitalisat). Abgerufen: 13. Januar 2020
  6. Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 33.
  7. 7,0 7,1 Mayerfels, Carl Mayer von: Heraldisches ABC-Buch. Das ist Wesen und Begriff der wissenschaftlichen Heraldik, ihre Gesetze, Literatur, Theorie und Praxis. Leipzig 1857. S. 249.
  8. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 59
  9. Galbreath, D. L.; Jéquier Léon: Handbuch der Heraldik. Augsburg 1990. S. 111.
  10. Jungendres, Sebastian Jacob: Einleitung zur Heraldic. Monath. 1729.
  11. 11,0 11,1 Vgl.: J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. Tafel 9. Figur 87.
  12. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 169.
  13. Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 373, 439 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
  14. Lemma: Spindel. In: Knaurs Lexikon der Symbole. Verlag Droemer Knaur. 1989/1994/1998. S. 414-415.