Vincenz Robert Widimsky

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Vincenz Robert Widimsky (auch Vinzenz Robert Widimsky; nach der Geburtsmatrik Robert Winczencz Widimsky; * 27. März 1793 in PilsenW-Logo.png; † 14. Februar 1865 in Město AlbrechticeW-Logo.png [deutsch Olbersdorf])[1][2] war deutsch-böhmischer Apotheker, Chronist von Město Albrechtice und Heraldiker.

Leben

Widimsky prägte die Geschicke seines Wohnortes Město Albrechtice (deutsch Olbersdorf) und war für die Kommunalheraldik nicht nur in den böhmischen LändernW-Logo.png von großer, aber umstrittener Bedeutung. Davon unabhängig ist über sein Leben wenig bekannt. Nach Karel MüllerBehan ZW.jpg

  • wurde Widimsky am 27. März 1793 in Pilsen als Sohn von Franz (František) Widimsky und der Katerina Grün geboren. Der Vater seiner Mutter war ein Bürger in Pilsen und Mitglied der örtlichen Tuchmacherzunft. Über die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens gibt es keine Informationen. Man weiß, daß er Apotheker wurde und eine Zeit lang in DobříšW-Logo.png arbeitete. 1836 siedelte er nach Schlesien über und eröffnete am 1. Mai desselben Jahres in Město Albrechtice im Haus am Platz 5 eine Apotheke, die (vermutlich in Anbetracht seines Herkunftslandes) „Zum böhmischen Löwen“ genannt wurde. Widimskys gründete in Město Albrechtice eine Volksbibliothek und war in den Revolutionsjahren 1848-1849 Kommandant der örtlichen Nationalgarde. Er diente als Schulleiter und war Mitglied der Gesangsgruppe. Widimsky starb am 14. Februar 1865 an einer Lungenlähmung und wurde am 18. Februar beigesetzt. Weniger als ein Jahr später, am 15. Januar 1866, folgte ihm seine sieben Jahre jüngere Frau Barbara, mit der er 45 Jahre lang in einer kinderlosen Ehe gelebt hatte.[3]

Wirken

Leseprobe

Widimsky verfasste bald nach 1836 bis ca. 1864 auf eigene Initiative eine dreibändige Stadtchronik unter Titel „Denkwürdigkeiten für und von Olbersdorf“; diese wurde nach dem Tod Widimskys durch Alfred Nobis fortgesetzt. Dank Franz Heisig wurde die Chronik in den Jahren 1928-1929 im Druck veröffentlicht.[3] Zahlreiche Passagen aus der Stadtchronik wurden auch Teil einer vierbändigen Manuskriptssammlung mit dem Titel Silesia. Sammlung zerstrittener Aufsätze für Geschichte und Topographie v. Schlesien (1853-1855).

Heraldisches Hauptwerk

Vincenz Robert Widimsky Notizen über Wappen sind weitestgehend unkritisch abgefasst. Sein Interesse galt der kommunalen Heraldik, insbesondere der Wappen der Städte und Gemeinden in Böhmen respektive in der Österreichischen Monarchie. Nach Karel Müller besuchte Widimsky viele Städte und ihre Archive persönlich, korrespondierte mit den Stadtverwaltungen und seinen Apothekerkollegen, um Informationen über die Gestaltung der Ortswappen zusammenzutragen. Das Ergebnis seiner langjährigen Arbeit war eine Reihe von Handschriften (einheitlich als „Staedtewappenkranz“ bezeichnet) mit grundlegenden historischen Daten über die Ortschaften und deren jeweiliger Wappengeschichte. Die Wappenaufrisse in seinen Handschriften wurden von anderer Hand angefertigt (nach Karel Müller wahrscheinlich von Widimskýs Assistenten Alfred Nobis).[3]

Seine bereits erstellten heraldischen Arbeiten wurden nach der Ablösung der alten Patrimonialverwaltung zugunsten einer Gemeindeselbstverwaltung im Habsburgerreich im Jahr 1850 von der etablierten heraldischen Kommission dankbar entgegengenommen, als diese vor der Aufgabe stand, einen Überblick über die Formen aller damals bereits vorhandenen Ortswappen/-siegel des österreichischen Monarchie zu erarbeiten. Auf der Basis von Widimskys Arbeit erschien 1864 in der Wiener Hof- und Staatsdruckerei unter dem Titel Städtewappen des Österreichischen Kaiserstaates erstmals ein umfangreiches Buch über die Ortswappen im Königreich Böhmen, dem ein weiteres Werk mit Beschreibungen von Ortswappen in den Herzogtümern SalzburgW-Logo.png, SchlesienW-Logo.png und SteiermarkW-Logo.png folgte. Widimskys früher Tod im Jahre 1865 hatte zur Folge, dass der Rest seines heraldischen Werkes nur als Manuskript erhalten blieb. Es handelt sich dabei um mehr oder weniger vollständige Kompendien mit den Ortswappen Mährens, Niederösterreichs, Kärntens, Kärntens, Tirols und Voralbergs (alle erhalten in der Handschriftensammlung des Schlesisches LandesmuseumW-Logo.png von OpavaW-Logo.png)

Rezeption des heraldischen Widimsky-Werks

Die Bedeutung der heraldische Arbeit Widimskys ist kurz nach ihrer Veröffentlichung umstritten und wird bis heute in heraldischen Fachkreisen kontrovers diskutiert. Einige Autoren beschreiben Widimsky als „Gründer der Gemeindewappenkunde in der österreichischen Monarchie“[3] und betonen, dass ohne seine Arbeit die Kenntnis etlicher kommunaler Wappenbilder in der Gegenwart verloren wäre. Andere, darunter zum Beispiel im Jahre 1871 Ernst Hartmann von Franzenshuld und 2016 Stanislav Kasík,[4][5][6] kritisieren die offenkundigen Schwächen von Widimskys Werk, zu denen im Wesentlichen zählen:

  • Die vielen fehlerhaften, nachweislosen, teilweise frei erfundenen Angaben zu Ortswappen, Datierungen und Wappenverleihungen, die Widimsky unkritisch von seinen Informanten übernahm oder selber ergänzte.
  • Pseudowissenschaftlich-onomastische Herleitungen von Ortsnamen und laienhafte Deutungsversuche von Wappen und deren Figuren
  • Eine fehlende Gliederungssystematik und Quellenordnung von Widimsky Arbeiten („dass gar kein Einteilungsgrund (..) ersichtlich ist, weder nach dem Inhalt, noch nach der Form, noch nach der Zeit, noch nach dem Alphabet; Druckschriften Manuskripte etc. sind eben kunterbunt durcheinandergeworfen ..“)[4]
  • Die fehlenden Recherchen nach „echten“ Siegeln, offiziellen Wappenverleihungen, Urkunden oder anderen authentischen Belegen bzw. die fehlenden Abgleiche, Auswertungen, Schlussfolgerungen der historisch-gesicherten oder „glaubwürdigen“ Nachweise mit den Angaben von Widimskys Informanten („hinsichtlich des Inhaltes scheint es uns, als ob der Herr Verfasser die sphragistische und diplomatische Seite seines Unternehmens zu wenig beachtet hätte ..“)[4]
  • Unvollständige, dilettantische, falsche oder unbrauchbare Beschreibungen von Wappen (Blasonierungen), die teilweise nicht sorgfältig nach der heraldischen Terminologie abgefasst sind und teilweise nicht mit den abgebildeten Wappenaufrissen übereinstimmen.
  • Wappenaufrisse, die nicht den strengen, heraldischen Anforderungen entsprechen, sondern in Laienkenntnis über heraldischen Regeln gestaltet sind, wobei fehlende Gestaltungsvorgaben teilweise willkürlich und ad hoc ergänzt/vervollständigt wurden (insbesondere Tinkturen, Borde, Schildfüße und einige gemeine Figuren)[5].

Zahlreiche Epigonen übernahmen (teils mehr, teils weniger, gewöhnlich aber unkritisch) über Jahrhunderte die wahren und die falschen Angaben/Wappenaufrisse aus Widimskys Werk, das durch die Veröffentlichung durch die k. k. Hof und Staatsdruckerei 1864 quasi einen „amtlichen“ Charakter erhalten hatte.[5] Im deutschsprachigen Wappenkulturraum wurde Widimskys Werk beispielsweise zur Datenqueller folgender Veröffentlichungen (Auswahl):

Für die Entwicklung des kommunalen Wappenwesen zum Beispiel im tschechischsprachigen, aber auch in anderen Wappenkulturräumen spielt die Veröffentlichung der 28-bändigen tschechischen Enzyklopädie Ottův slovník naučnýW-Logo.png (deutsch ‚Ottos Konversationslexikon‘, auch Ottova encyklopedie, ‚Ottos Enzyklopädie‘ genannt) in den Jahren 1888-1909 als Quelle allgemein anerkannter Informationen eine bedenkliche Rolle. In Ottos Enzyklopädie finden sich ebenfalls die glaubwürdigen und unglaubwürdigen Annahmen über Städtwappen aus Widimskys Werk. Beeinflusst unter anderem durch diese beiden Quellen nahmen etliche Kommunen zwischen dem 20. und 21. Jahrhundert Wappen mit Motiven an, die aus heraldischer, historischer und wissenschaftlicher Sicht zu einem großen Teil fragwürdig sind.

Werke

  • Die Denkwürdigkeiten für und von Olbersdorf / gesammelt und chronologisch geordnet von Vinzenz Robert Widimsky. Bearbeitet und herausgegeben von Franz Heisig. Jägerndorf, Karl Rieger, 1928-1929.
  • Silesia. Sammlung zerstrittener Aufsätze für Geschichte und Topographie v. Schlesien. Schlesischen Museums Opava (=SZMO), Nr. 24 (Schlesien), 25 und 26. (1853-1855).
  • Gothische Schriftzüge nach Original Handschriften. B 5195
  • Städtewappen des österreichischen Kaiserstaates.
  • Wappen der Städte des Königreiches Böhmen mit 543 farbigen Stadtwappen, sowie umfangreichen Erläuterungen zur Geschichte der Wappen, Städte und Adelsfamilien.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Matriční záznam o narození a křtu farnosti při kostele sv.Bartoloměje v Plzni. Melderegister der Geburt und Taufe der Pfarrei in der St.-Bartholomäus-Kirche in Pilsen. Abgerufen am 15. Januar 2022 (tschechisch, 1792-1810).
  2. Matriční záznam o úmrtí a pohřbu farnost Město Albrechtice. Sterbe- und Bestattungsmatrik für die Gemeinde Olbersdorf (Město Albrechtice). Abgerufen am 15. Januar 2022 (1865-1929).
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Karel MüllerBehan ZW.jpg: Vincenz Robert Widimsky - albrechtický kronikář a zakladatel komunální heraldiky nejen v českých zemích. (deutsch: ‚Vincenz Robert Widimsky – der olbersdorfere Chronist und Gründer der Gemeindewappenkunde nicht nur in den böhmischen Ländern‘). Sborník prací Filozofické fakulty Ostravské univerzity. Historie = Acta Facultatis Philosophicae Universitatis Ostraviensis. Historica / Ostrava: Universität Ostrava. Nr. 12. Ostrava, 2005. S. 229-232. (tschechisch, ISBN 80-7368-044-0)
  4. 4,0 4,1 4,2 Ernst Hartmann von Franzenshuld: Über Städtewappen und Widimsky's Werk Städtewappen des österreichischen Kaiserstaates. In: Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, Band 16. Wien, 1871. S. CXXXIV-CXLIII. (Google)
  5. 5,0 5,1 5,2 Stanislav Kasík: Mystifikace, šalba a bullshit v české komunální heraldice. In: www.heraldika-terminologie.cz. Heraldická Terminologická Konvence, 20. Mai 2012, abgerufen am 16. Januar 2022 (tschechisch).
  6. Stanislav Kasík: Od Widimského k „černé díře bezheraldičnosti“. In: www.heraldika-terminologie.cz. Heraldická Terminologická Konvence, Oktober 2016, abgerufen am 16. Januar 2022 (tschechisch).

Anmerkungen

  1. Ströhl weist im Vorwort der 2. Auflage seines Werkes zwar auf die Schwächen von Widimsky Arbeit hin – dennoch nutzt er sie und zwar einerseits direkt („Widimskys »Städtewappen des Österreichischen Kaiserstaates« .. konnten wegen Unverlässlichkeit der Angaben nur in sehr geringem Maße genutzt werden“), andererseits indirekt, indem er als Quelle für seine Arbeit auch Ottos Enzyklopädie (Ottův slovník naučnýW-Logo.png) heranzieht, deren Autoren sich ebenfalls bei Widimsky unkritisch „bedient“ haben.